Asset Management Ausblick zur Jahresmitte 2024
Komplexität überwinden
Auf makroökonomischer Ebene zwingt die hartnäckige Inflation die Zentralbanken, langsamer als vor sechs Monaten erwartet auf Leitzinssenkungen umzuschwenken. Die sich verändernden Erwartungen für den genauen Zeitpunkt und das Tempo dieses Kurswechsels erfordern in den kommenden Monaten einen dynamischen Investmentansatz. Unterdessen befindet sich die Welt in einer Ära tiefgreifender geopolitischer Veränderung. Eine Eskalation der Konflikte im Nahen Osten und in der Ukraine zählt weiterhin zu den Hauptrisiken. Der Vorlauf und die möglichen Folgen wichtiger politischer Wahlen weltweit erhöhen die Marktvolatilität. Diese Unsicherheiten beschleunigen langfristige Megatrends von Künstlicher Intelligenz (KI) bis Nachhaltigkeit, die Branchen und ganze Volkswirtschaften transformieren.
Nur Anleger und Unternehmen, die diese Kräfte und ihre Wechselwirkungen nuanciert verstehen, können die dadurch entstehenden Chancen nutzen. Wir haben die Ansichten unseres Investmentteams zusammengefasst, um Ihnen diese Komplexitäten für den restlichen Jahresverlauf zu entschlüsseln.
Makroökonomie: Längerer Weg zur Normalisierung
Nach der Pandemie haben die großen Zentralbanken die Leitzinsen so schnell wie seit Jahrzehnten nicht mehr angehoben. Der Weg zur Normalisierung dürfte jedoch länger dauern. In den großen Volkswirtschaften ist die Teuerungskrise zwar überwunden, dennoch hält sich die Inflation hartnäckig. Daran sind neben pandemiebedingten Gegebenheiten auch Aufholeffekte in Kategorien schuld, in denen sich die Preise nur allmählich anpassen. Daher schwenken die Zentralbanken langsamer auf Leitzinssenkungen um, als Anfang 2024 erwartet wurde.
In den USA kämpfen Notenbanker und Anleger mit den Herausforderungen der letzten Meile. Die Resilienz der Wirtschaft, der Unternehmensgewinne und der Arbeitsmärkte ging im ersten Quartal mit einer überraschend hohen Inflation einher. Die Zahlen für April und Mai zeigten in die richtige Richtung, konnten aber die kräftige Inflation und die soliden Beschäftigungszahlen zu Beginn des Jahres nicht ganz wettmachen.1 Trotz einer holprigen ersten Jahreshälfte gehen wir davon aus, dass die Inflation in den USA weiter zurückgeht und die Leitzinsen vor Jahresende gesenkt werden. Der genaue Zeitpunkt bleibt jedoch unsicher. Die Konjunkturdaten müssen die Entspannung am Arbeitsmarkt und den Rückgang der Inflation erst zuverlässiger bestätigen. Auch die Wahlen in den USA und potenzielle Veränderungen der Fiskalpolitik können bedeuten, dass die US-Zinsen länger höher bleiben.
Die Europäische Zentralbank (EZB), die in der Vergangenheit die Zinsschraube erst nach der Fed lockerte, hat ihre Leitzinsen im Juni gesenkt.2 Sie begründete dies damit, dass die Inflation seit der letzten Zinserhöhung im September 2023 ausreichend zurückgegangen war. In den kommenden Quartalen werden die Leitzinsen voraussichtlich allmählich gesenkt. Wir beobachten weiterhin die Lohnentwicklung und die Teuerung der Dienstleistungspreise. Außerdem achten wir auf Verschärfungen der Finanzierungsbedingungen aufgrund politischer Unsicherheit. Dies würde das Wachstum beeinträchtigen und sich auf das Tempo und die Höhe der Leitzinssenkungen der EZB auswirken. In Großbritannien hat die zuletzt starke Inflation die erste Leitzinssenkung der Bank of England (BoE) in diesem Zyklus verzögert. Ob sie im Sommer kommt, hängt von Signalen wie Lohnwachstum und Dienstleistungspreisen ab, die auf eine hartnäckige Inflation hindeuten können. In Japan rechnen wir mit weiteren, wenn auch begrenzten Leitzinserhöhungen, da die Bank of Japan (BoJ) mit der schrittweisen Normalisierung der Zinsen fortfährt. Die langfristigen Inflationserwartungen steigen weiter auf ein nachhaltigeres Niveau.
In den Schwellenländern (EM) sind seit fast einem Jahr Zinssenkungszyklen im Gange. Der Rückgang der Inflation, der eine frühere Lockerung der geldpolitischen Zügel ermöglichte, hält weitgehend an. Länder in Asien, Mittel- und Osteuropa sowie Lateinamerika haben gute Fortschritte bei der Eindämmung der Inflation gemacht. Es gibt jedoch auch deutliche Ausnahmen wie Argentinien und die Türkei. Zuletzt wurden die Zinssenkungszyklen durch die sich ändernden Zinserwartungen für die USA sowie Bedenken hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Geldpolitik (z. B. in Brasilien) und wahlbedingte Stimmungen (z. B. in Mexiko) gefährdet. Im Vergleich zu vor ein paar Monaten wurden die Markterwartungen bezüglich Geschwindigkeit und Umfang der Lockerung zurückgeschraubt. Einige Märkte preisen sogar Leitzinserhöhungen ein. Die chinesische Wirtschaft ist nach wie vor ein Abweichler und die dortige Zentralbank wird voraussichtlich an einem Lockerungskurs festhalten, solange sich die Wirtschaft und der Immobilienmarkt erholen.
Quelle: Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 14. Juni 2024.
Investmentüberlegungen
Auf Anleihen fokussiert bleiben
Ein Umfeld stetigen Wachstums, nachlassender Inflation und weitgehend robuster Fundamentaldaten von Unternehmen bietet Chancen, breit diversifizierte Anleiheportfolien mit attraktivem Ertragspotenzial aufzubauen. Eine aktive Titelauswahl wird dabei jedoch von entscheidender Bedeutung bleiben. Wir achten weiterhin auf unerwartet schlechte Daten für die gesamtwirtschaftliche Aktivität und Gegenwind für Unternehmensinvestitionen durch wahlbedingte Unsicherheit. Unsere Positionierung passen wir taktisch an, wenn sich am Markt Chancen bieten. Unsicherheit verdeutlicht die defensive Rolle von Staatsanleihen und als sicher geltenden Währungen wie dem US-Dollar. Chancen sehen wir auch in Spreadsektoren wie Unternehmens- und verbrieften Krediten, die ein attraktives Ertragspotenzial bieten.
Angesichts der Unterschiede unter den Zentralbanken, was Zeitpunkt, Tempo und Richtung der Geldpolitik angeht, halten wir ein dynamisches Durationsmanagement an den Märkten für Staatsanleihen für essenziell. In den USA sind wir auf eine steiler werdende Forward-Treasury-Zinsstrukturkurve eingestellt. Mit dieser Positionierung möchten wir uns gegen Abwärtsrisiken für das Wachstum absichern. Gleichzeitig können Anleger von Anfang an von Leitzinssenkungen der Fed oder steigenden Laufzeitprämien durch ein stetiges Angebot an US-Staatsanleihen profitieren. In Bezug auf europäische Staatsanleihen sind wir weitgehend neutral. Die EZB neigt zu Lockerungen und die politische Unsicherheit könnte das Wachstum dämpfen. Dennoch beobachten wir auch die starke Inflation der Dienstleistungspreise. Wir bevorzugen britische Staatsanleihen, da die BoE die geldpolitischen Zügel lockern wird, sofern die Daten nicht wider Erwarten deutlich anziehen. In Japan hingegen achten wir auf die Wahrscheinlichkeit weiterer Leitzinserhöhungen, denn das starke Lohnwachstum hält an und die BoJ neigt zu einer restriktiven Geldpolitik. Mit Staatsanleihen aus Schwellenländern können Anleger attraktive Carry-Renditen erzielen. Gesamtrenditepotenzial besteht bei Anleihen, die auf Investment Grade heraufgestuft werden. Insgesamt haben wir unser Engagement in EM-Lokalwährungsanleihen reduziert. Unser Hauptaugenmerk gilt Märkten wie Chile, Tschechien und Ungarn, die ihren geldpolitischen Lockerungskurs voraussichtlich fortsetzen. Angesichts geldpolitischer Unterschiede achten wir weiterhin auf länderspezifische Faktoren.
Trotz des insgesamt stabilen Umfelds für Anleihen sind sektorale und regionale Unterschiede erkennbar. Emittenten mit A-Rating und höherer Verschuldung weisen beispielsweise einen deutlich stärkeren Rückgang der Zinsdeckungsquoten auf als niedriger verschuldete Emittenten mit BBB-Rating. Im Kreditbereich bevorzugen wir Emittenten in Sektoren, die während des gesamten Konjunkturzyklus Resilienz beweisen können. Bankanleihen halten wir aufgrund ihrer Spreadprämien für attraktiv, obwohl sie nach ihrer jüngsten Performance nicht mehr so attraktiv bewertet sind. Sektoren, die sich auf Dekarbonisierung und Digitalisierung einstellen, wie etwa Telekommunikationsunternehmen mit Breitband- und 5G-Diensten sowie Technologieunternehmen mit Fokus auf Cybersicherheit und Datenschutz, bieten ebenfalls gute Chancen. Der Markt für EM-Unternehmensanleihen stellt eine attraktive Mischung aus Rendite, Diversifikation für bestehende Positionen in Unternehmens- oder Schwellenländeranleihen sowie Resilienz gegenüber makroökonomischen Herausforderungen dar. Laut unserer Analyse dürften die Fundamentaldaten von Unternehmen robust bleiben, denn die Nettoverschuldung befindet sich auf dem niedrigsten Stand seit Jahrzehnten. Die Bonitätstrends sind positiv und für 2024 wird ein Rückgang der Zahlungsausfälle prognostiziert. Dies würde den Trend der letzten drei Jahre umkehren. Das technische Umfeld bleibt aufgrund des begrenzten Angebots an Neuemissionen ebenfalls günstig. In Bezug auf verbriefte Kredite wie CMBS und CLO bleiben wir positiv eingestellt. Wir sehen Potenzial für weitere Spreadeinengungen in der zweiten Jahreshälfte, gestützt durch starke Fundamentaldaten. Dies gilt besonders für Wertpapiere ganz oben in der Kapitalstruktur. Vor allem begünstigen die jüngsten Konjunkturdaten das Szenario einer „weichen Landung“, was die Zahlungsströme aus den zugrunde liegenden Krediten stützen würde.
Den Aktienhorizont weiten
An den Public Equity Markets konnten die stärksten Geschäftsmodelle dank Inflationsdruck und höherer Zinsen ihre Margenresilienz in den letzten Quartalen unter Beweis stellen. Die Gewinnmeldungen für das erste Quartal fielen in den USA insgesamt besser aus, als wir aufgrund unserer Analyse erwartet hatten.3 Das Gewinnwachstum des S&P 500 wird weiterhin größtenteils von den „Magnificent 7“ vorangetrieben, aber die Performance-Streuung innerhalb der Gruppe ist größer geworden. Die zweite Jahreshälfte 2024 könnte Anlegern Chancen bieten, ihr Aktienengagement über die größten Titel hinaus auszuweiten. Wir erkennen eine neue Gruppe von KI-Nutznießern, die sowohl von starken Fundamentaldaten als auch einem guten Zusammenspiel mit den Magnificent 7 profitieren. Das sind beispielsweise Unternehmen, die die KI durch Daten verbessern. KI-Strategien, Investitionsrenditen und Rentabilität werden mit steigenden Unternehmensausgaben für KI voraussichtlich stärker auf den Prüfstand gestellt. Umso wichtiger sind dann eine sorgfältige Titelauswahl und aktives Management.
Nach mehrjähriger Underperformance gegenüber Aktien mit hoher Marktkapitalisierung steht US-Small-Caps jetzt eine Erholung bevor. Diese Einschätzung basiert auf den attraktiven absoluten und relativen Bewertungen, dem sich verbessernden makroökonomischen Ausblick und der Aussicht auf Leitzinssenkungen in den USA vor Jahresende. Historisch gesehen hat die Anlageklasse von US-Lockerungszyklen profitiert.4 Mit einem höheren Anteil an variabel verzinslichen Schulden und höheren Schuldenlasten können kleinere Unternehmen einen unmittelbareren und stärkeren Anstieg ihres Umsatzerlöses durch die erwarteten Zinssenkungen im zweiten Halbjahr 2024 erleben. Small-Caps eignen sich auch zur Diversifikation des Konzentrationsrisikos im S&P 500.
In Europa verbessert sich die Wachstums- und Inflationslage. Auch die bessere Dynamik bei den Unternehmensgewinnen und moderate Bewertungen begünstigen europäische Aktien. Die Leitzinsen wurden in Europa früher gesenkt als in den USA. Hinzu kommen ein sich abschwächendes Lohnwachstum und eine rückläufige Inflation, die Unternehmen bessere Margen bescheren dürften. Das gilt auch für europäische Small-Caps, die von höheren Zinsen stärker betroffen sind. In Japan wird die starke Aktienmarktperformance dank des strukturellen Wandels voraussichtlich anhalten. Nach Jahrzehnten der Deflation kehrt wieder ein inflationäres Umfeld ein. Die anhaltenden Unternehmensreformen führen dazu, dass japanische Unternehmen ihre Pläne zur Steigerung der Kapitaleffizienz proaktiver und öffentlicher vorantreiben.5
Entstehende Chancen an den Private Markets
Die Private Markets bieten Anlegern unterschiedliche Möglichkeiten, ihre risikobereinigten Renditen zu steigern und traditionelle Anlagen zu diversifizieren. Durch die höheren Kapitalkosten bei Private Equity ändern sich die Bedingungen für Dealmaker. Die wichtigsten Erfolgsfaktoren werden unserer Ansicht nach Hebel zur operativen Wertsteigerung sein. Für die Anlageergebnisse wird die Bedeutung eines umsichtigen Kapitaleinsatzes noch zunehmen – sowohl bei neuen Investitionen als auch bei der Unterstützung bestehender Unternehmen. Manche Investoren (LP) machen Liquidität aus bestehenden Beteiligungen zur Bedingung für neue Commitments. Manager (GP) greifen dann eventuell mehr auf Continuation Vehicles und strukturierte Lösungen zurück, um gleichzeitig Liquidität und Wertsteigerung zu erhalten. Chancen für Investoren und Manager, die Deal- und Fondsstrukturen mit Liquidität und längeren Haltezeiten suchen, bieten weiterhin die Secondaries.
Private Credit wächst weiter und wird von Kreditnehmern als flexible, zeitnahe Finanzierungslösung für ihren Kapitalbedarf geschätzt. Vorrangig besicherte Darlehen werfen gemessen an den letzten Jahren immer noch attraktive Renditen ab, aber der Wettbewerb um Kapital hat 2024 zu einer Spreadeinengung geführt. Um dies auszugleichen, versuchen einige Kreditgeber, bestehende Finanzierungen zu attraktiveren Konditionen zu refinanzieren, um die Duration zu verlängern (d. h., sie nehmen eine niedrigere effektive Rendite für eine höhere MOIC in Kauf). Die Strukturierung von Private-Credit-Deals kann sich ebenfalls verändern. Unternehmen versuchen möglicherweise, die Zinskosten weiter zu senken, indem sie Equity-Kickers als Ausgleich für niedrigere Spreads anbieten. Am besten aufgestellt sind vermutlich Kreditgeber, die groß und flexibel genug sind, über die gesamte Kapitalstruktur zu verleihen, und einen breiten Stamm an Kreditnehmern haben. Konkurrenz kommt auch von semiliquiden Vehikeln, wobei der Druck, Kapitalzuflüsse relativ schnell zu investieren, zu einer Spreadeinengung beitragen kann. Wir erwarten keine weit verbreiteten Notlagen. Dennoch können die anhaltend hohen Zinsen manch hoch verschuldetes Unternehmen und bestimmte Geschäftsmodelle in den kommenden Quartalen auf die Probe stellen. Underwriting, Strukturierungsdisziplin, robuste Sourcing-Pipelines und Erfahrung dürften an Bedeutung gewinnen.
Die Deal-Aktivität im Infrastrukturbereich hat sich in den letzten Quartalen aufgrund der höheren Zinsen allgemein verlangsamt. Es gibt jedoch auch positive Entwicklungen. Energiewendeprojekte ziehen weiterhin Kapital an. Auch digitale Vermögenswerte sind noch beliebt, denn Anleger sehen überzeugende Chancen bei der Entwicklung von Plattformen angesichts der steigenden Nachfrage und Veränderungen der regulatorischen Rahmenbedingungen. Im Immobilienbereich warten Anleger aufgrund der Ungewissheit über den Zeitpunkt und die Höhe von Leitzinssenkungen in den USA ab. Anhaltende Risiken – bevorstehende Wahlen, regulatorische Unsicherheit und steigende Versicherungskosten – erschweren den Ausblick. Viele Anleger bleiben daher auf die hochwertigsten Vermögenswerte fokussiert. Im Distressed-Segment ist die Zahl der Verkäufe jedoch leicht gestiegen, während die Bewertungen weiter gesunken sind. Demografie, Technologie und das Streben nach Nachhaltigkeit werden die weltweite Immobiliennachfrage in den kommenden Jahren voraussichtlich prägen. Neue Chancen dürften durch Verwerfungen in der Wirtschaft und an den Kapitalmärkten entstehen.
Drei Schlüsselfragen
1. Stellt das höhere Zinsniveau Anleiheemittenten vor Herausforderungen?
Unsere Ansicht:Wir nähern uns dem einjährigen Jubiläum des Fed-Funds-Rate-Gipfels, und das durchschnittliche US-Unternehmen mit Investment-Grade-Rating ist unserer Analyse zufolge immer noch in robuster finanzieller Verfassung. Die Zinsdeckungsquoten liegen trotz Abwärtstrend immer noch nahe oder nur knapp unter den historischen Durchschnitten. Dank des anhaltenden Wirtschafts- und Gewinnwachstums können sich resiliente Unternehmen auf die höheren Zinsen einstellen. Viele entscheiden sich bei der Kapitalverwaltung für einen konservativeren Ansatz, der ihre Bonität möglicherweise stärkt. Obwohl die höheren Zinsen generell verkraftbar zu sein scheinen, stellen sie einige Unternehmen dennoch vor Herausforderungen. Das neue Umfeld höherer Zinsen und struktureller Veränderungen erfordert unserer Ansicht nach einen aktiven, fundamentalen Ansatz bei der Anleihenselektion.
2. Gelingt Small-Caps endlich eine Outperformance?
Unsere Ansicht: Vor dem Hintergrund einer sich verbessernden Wirtschaftslage und der Aussicht auf niedrigere Zinsen in den Industrieländern bergen Small-Caps großes Potenzial. In der Vergangenheit haben US-Small-Caps nach dem Abbau einer extremen Mega-Cap-Konzentration und in US-Wahljahren starke Renditen erzielt.6 Am besten eignet sich für diese Anlageklasse ein differenzierter Ansatz mit hohem Active Share, um überdurchschnittliche Renditechancen zu nutzen. Außerdem muss selektiv nach einem disziplinierten Fundamentalansatz investiert werden, um unrentable Unternehmen zu vermeiden.
3. Was ist bei Private Equity „normal“?
Unsere Ansicht: Manche Private-Equity-Anleger fragen sich, wie ein „normales“ Umfeld zukünftig aussehen könnte. Die rasante Aktivität 2021/22 war vermutlich eine Anomalie, die durch historisch niedrige Zinsen und leicht zugängliches Kapital angeheizt wurde. Eine langfristige Rückkehr zu den Trendlinien vor der Pandemie ist jedoch auch nicht wahrscheinlich. Evergreen-Strukturen – kombiniert mit den immer beliebter werdenden Continuation Vehicles – ermöglichen längere Haltezeiten. Diese Entwicklungen legen nahe, dass Größe, Umfang und Art der Deals sich weiter verändern und jeden Versuch, „normal“ zu definieren, erschweren.
Geopolitik und Wahlen: Roadmaps für Resilienz
In Zeiten geopolitischer Instabilität suchen Anleger gern Zuflucht in den grundlegendsten aller Vermögenswerte – Rohstoffen –, die traditionell eine Absicherung gegen geopolitische und finanzielle Schocks bieten. Der Wert von Öl als Absicherung gegen geopolitische Versorgungsengpässe ist 2024 bisher gestiegen. Der Goldpreis kletterte im Mai auf ein Rekordhoch. Grund dafür waren Käufe von Zentralbanken der Schwellenländer, die sich seit der russischen Invasion in die Ukraine verdreifacht haben.7 Darüber hinaus verdeutlichen das erhöhte geopolitische Risiko und die Möglichkeit einer Eskalation von Konflikten, wie wichtig es ist, proaktiv zu sein und das gesamte Portfolio auf unerwartete Ereignisse vorzubereiten. Ausgewogene Allokationen mit einer Vielzahl von Renditetreibern für verschiedene Anlageklassen können eine erste Abwehrlinie darstellen. Die Integration von Absicherungsstrategien in langfristige Entscheidungen zur Portfoliokonstruktion kann ebenfalls helfen, Chancen zu nutzen und die Anfälligkeit für große Schockereignisse zu verringern.
Die Politik bleibt im Fokus. Die ersten sechs Monate von 2024 waren für die Schwellenländer besonders aktiv. In Taiwan deutet der dritte Sieg der Demokratischen Progressiven Partei in Folge darauf hin, dass politischer Wandel vermutlich begrenzt sein wird. Die Spannungen mit China über die Taiwanstraße dürften dennoch erhöht bleiben. Die Wahlergebnisse in Indien, Mexiko und Südafrika sorgten für Marktvolatilität. In Indien, wo die größten Wahlen der Welt stattfanden, sicherte sich Premierminister Modi eine dritte Amtszeit. Seiner Bharatiya Janata Partei (BJP) gelang es jedoch nicht, eine Mehrheit zu erhalten. Sie muss nun Allianzen schließen, um eine Regierung bilden zu können. Indiens makroökonomische Stärke wird voraussichtlich anhalten. Wir rechnen nicht mit einer Umkehrung der wichtigen Strukturreformen der letzten zehn Jahre. In Mexiko gewann Claudia Sheinbaum, die Kandidatin der regierenden Partei, die Präsidentschaftswahl mit deutlich größerem Vorsprung, als im Vorfeld prognostiziert worden war. An den mexikanischen Kapitalmärkten, einschließlich des mexikanischen Pesos, führte das zu einer negativen Reaktion. Die deutliche Mehrheit der Morena-Koalition ermöglicht Verfassungsänderungen ohne Zustimmung der Opposition. In Südafrika muss der Wechsel zu einer Koalitionsregierung in den kommenden Monaten genau beobachtet werden, nachdem der African National Congress (ANC) überraschend schlecht abgeschnitten hat.
Mit Beginn der zweiten Jahreshälfte von 2024 rücken die Wahlen in Industrieländern in den Fokus. In Großbritannien erhielt die Labour Party am 4. Juli eine deutliche Mehrheit. Laut ihrem Wahlkampfprogramm werden die Änderungen der Finanzpolitik relativ begrenzt sein.8 Einzelheiten über die politische Agenda der neuen Regierung, wie etwa Ausgaben und Steuern, werden in den kommenden Wochen und Monaten erwartet. Im Fokus der Anleger werden voraussichtlich der weitere Rückgang der Inflation und potenzielle Leitzinssenkungen der BoE stehen. In Frankreich ergaben die Wahlen Anfang Juli keine klaren Mehrheitsverhältnisse im Parlament. Das linksgerichtete Bündnis gewann überraschend die meisten Sitze. Auf kurze Sicht werden die politische Unsicherheit und das Potenzial für Volatilität an den französischen Kapitalmärkten erhöht bleiben. Die Regierungsbildung kann bis weit in den Sommer dauern. In den USA finden im November Wahlen statt. Die Auswirkungen der Fiskal-, Handels- und sonstigen Politik auf Regionen, Branchen und Unternehmen beobachten wir genau. Was die Haushaltslage angeht, trat der ehemalige Präsident Trump sein Amt 2017 mit einem geringeren, aber wachsenden strukturellen Defizit an und konnte daher Steuersenkungen verabschieden. Präsident Biden übernahm vor vier Jahren ein großes Defizit, konnte dank niedriger Zinsen und eines unterstützenden politischen Umfelds aber dennoch weitere fiskalische Maßnahmen beschließen. Jetzt aber herrschen andere Bedingungen. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass der Wahlsieger mit seiner Politik das Defizit nächstes Jahr weiter erhöht. Je näher die Wahlen rücken, desto mehr steigen voraussichtlich die Risiken durch Veränderungen der US-Handels- und internationalen Politik. Die Auswirkungen auf das Wachstum und die Entwicklung der Kapitalmärkte in Europa, China und anderen Ländern werden je nach Wahlausgang unterschiedlich sein. Im Fokus der Märkte werden wahrscheinlich die Einführung höherer Zölle und die Risiken dieser Zölle für das Wachstum und die Rentabilität stehen. Anleger sollten keinesfalls versuchen, die Märkte zu timen oder auf binäre politische Ergebnisse zu setzen.
Quelle: Goldman Sachs Asset Management, Caldara, Dariouand Matteo Iacoviello. Stand: 8. April 2024. Daten heruntergeladen von https://www.matteoiacoviello.com/gpr.html. Tägliche Daten. Rein illustrativ. Die bisherige Wertentwicklung ist kein Indikator für zukünftige Renditen und bietet keine Garantie im Hinblick auf zukünftige Ergebnisse, die Schwankungen unterworfen sein können.
Investmentüberlegungen
Hedgefonds und Liquid Alternatives
Hedgefonds haben in den letzten Monaten von der anhaltenden Renditestreuung über Anlageklassen, Sektoren und Regionen hinweg profitiert. Das erhöhte Zinsniveau zusammen mit dem Potenzial für Marktvolatilität und geopolitische Schocks schafft ein Marktumfeld mit guten Alpha-Chancen für Hedgefonds. Wer makroökonomische Verwerfungen, Relative-Value-Unterschiede zwischen Wertpapieren oder ereignisbasierte Chancen erkennt, wenn sich die Aktivität an den Kapitalmärkten erholt, kann Aufwärtspotenzial besser nutzen und Abwärtsrisiken begrenzen. Manche Anleger konzentrieren sich auf die Private Markets, um von diesen Chancen zu profitieren und zu diversifizieren. An den Public Markets können diese Ziele mit Liquid Alternatives verfolgt werden, die nicht auf Aktien beschränkt sind. Dazu können auch Multi-Asset-Strategien mithilfe von Long-/Short-Positionen und Derivaten verfolgt werden. Wir bevorzugen für Liquid Alternatives einen systematischen Ansatz, der auf kosteneffiziente Anlagen mit hoher Transparenz und täglicher Liquidität ausgerichtet ist. Solch ein Ansatz eignet sich zur Beimischung zu Aktien- und Anleiheallokationen und verbessert die Portfoliodiversifikation.
Chancen in Schwellenländern
Durch die geopolitische Unsicherheit in diesem aktiven politischen Jahr entstehen in den Schwellenländern sowohl Chancen als auch Komplexität für Anleger. Manche Länder sind auch in der zweiten Jahreshälfte 2024 makroökonomisch und geopolitisch gut aufgestellt. Indien sticht durch seine makroökonomische Stabilität und sektorübergreifenden Reformen hervor. Das Land profitiert von der Neuausrichtung der globalen Lieferketten – ein Positiveffekt, der vielleicht die Bedenken über hohe Aktienbewertungen aufwiegt. Trotz potenzieller Handelsunsicherheit aufgrund der US-Wahlen kann Lateinamerika langfristig von Nearshoring-Dynamiken profitieren. Zu den voraussichtlichen Nutznießern zählen Brasilien und Mexiko. Ihre Bevölkerungen sind relativ jung und sie verfügen über wichtige Ressourcen- und Mineralvorkommen, die im Wandel zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft gebraucht werden. Im Nahen Osten entstehen an den reifenden Aktien- und Anleihemärkten Chancen. Durch Investitionen über Staatsfonds schreitet die wirtschaftliche Diversifizierung voran.
Wir sehen eine Vielzahl von Chancen, die Diversifikation für Allokationen in Industrieländern bieten können. Am Aktienmarkt ist Selektivität entscheidend. Der Fokus muss binnenwirtschaftlich orientierten Unternehmen gelten, die dank langfristiger, struktureller Wachstumsthemen unabhängig von Marktereignissen über den gesamten Zyklus gut abschneiden können. Der Markt für EM-Unternehmensanleihen ist ebenfalls vielfältig. Dieser unserer Meinung nach unterschätzte Bereich des Anleiheuniversums bietet attraktive Renditen und ein Engagement in strukturellen Megatrends. Privatwirtschaftliche Unternehmen reagieren in der Regel weniger sensibel auf politische Ereignisse und können daher gerade in einem aktiven Wahljahr attraktiv sein. Dank einer starken globalen Produktnachfrage und USD-Einnahmen können bestimmte Schwellenländerunternehmen makroökonomische Volatilität besser verkraften. Anleger sollten generell flexibel und liquide sein, wenn sie in den Schwellenländern investieren. Investmenterfahrung über mehrere Konjunktur- und Wahlzyklen hinweg kann für das Risikomanagement vorteilhaft sein. Kreative Ansätze für die Portfoliokonstruktion, wie etwa Aktienallokationen in nur einem Land oder Strategien für ein China-Engagement, können ebenfalls Chancen sowie Risikominderung bieten.
Sicherheit: Lieferketten, Ressourcen und Verteidigung
Das Thema Sicherheit scheint unaufhaltsam. Langfristige Lieferketten-, Ressourcen- und nationale Sicherheit steht im Fokus von Regierungen und Unternehmen. Angesichts der Weiterentwicklung der KI wollen große Volkswirtschaften auch ihre Technologie-Lieferketten stärken. Diese Bemühungen werden voraussichtlich ungeachtet des Wahlergebnisses parteiübergreifende Unterstützung erhalten. Industrieländer treiben den Übergang zu sauberer Energie schneller voran. Sie möchten ihre Energieunabhängigkeit erhöhen und weniger abhängig von fossilen Brennstoffen werden. Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten unterstreichen, wie wichtig nationale Sicherheit ist. Unseren Erwartungen nach werden die Verteidigungsausgaben in den kommenden Jahren mehr durch die Geopolitik als die Innenpolitik vorangetrieben. Diesen langfristigen, strukturellen Trend sollten Anleger ganzheitlich nutzen. Für Anlagen in die drei oben genannten Sicherheitsthemen steht ein breites Aktienuniversum für ein gut diversifiziertes Portfolio mit ausgewogenen Sektorallokationen zur Verfügung.
Drei Schlüsselfragen
1. Basieren Investmentthesen auf der Annahme, dass die bestehende Politik fortgeführt wird?
Unsere Ansicht: Umsichtige Investments beruhen nie auf einem einzigen Faktor. Dennoch überlegen viele Anleger, wie potenzielle Änderungen, Ergänzungen oder Streichungen von Richtlinien oder Gesetzen die Annahmen beeinflussen können, die bei der Risikobewertung getroffen wurden. In den USA mag das einfacher sein, denn viele Richtlinien über Lieferketten und Energieressourcen sind nach einem Bottom-up-Ansatz auf spezifische Märkte ausgerichtet. In Europa hingegen können Top-down-Regulierungen das gesamte Umfeld grundlegend verändern.
2. Was können die US-Wahlen für den Inflation Reduction Act bedeuten?
Unsere Ansicht: Die Wahlen in den USA bergen eine gewisse Unsicherheit für nachhaltiges Investieren. Projekte, die durch das einschneidende Klimagesetz Inflation Reduction Act (IRA) finanziert werden, erhalten möglicherweise mehr Unterstützung, wenn ein Kandidat der Demokraten gewinnt. Unter einer republikanischen Regierung hingegen könnte sich die Unterstützung ändern. Eine vollumfängliche Abschaffung scheint jedoch unwahrscheinlich, egal wer im Amt ist. Trotz möglicher politischer Veränderungen nach den Wahlen rechnen wir weiterhin mit einem starken Wachstum bei klimabezogenen und kohlenstoffarmen Investitionsmöglichkeiten. Ausschlaggebend dafür dürften bessere Preise für Solarstromerzeugung und Energieeffizienz sein.
3. Was sollten Anleger in einem Wahljahr im Gesundheitswesen erwarten?
Unsere Ansicht: In den USA steht das Thema Gesundheitsversorgung bisher weniger im Vordergrund als in früheren Wahljahren. Die steigenden medizinischen Kosten aufgrund der Inflation werden vor der Wahl im November möglicherweise aber noch mehr thematisiert. Private-Equity-Übernahmen im Gesundheitswesen werden unter Umständen genauer geprüft. In manchen Märkten wird die Entstehung von Monopolen befürchtet, die dann auf Profitmaximierung statt auf Patientenversorgung ausgerichtet sind. Wir bevorzugen daher Investments, die gegen Risiken durch Erstattungs- und Kürzungsentscheidungen abgesichert sind. Generell gilt unser Fokus den Nutznießern langfristiger Wachstumsthemen, wie robotergestützter Chirurgie und Abnehmmedikamenten, bei denen weiterhin Anlagechancen entstehen.
Rückenwind und Gegenwind: In Megatrends investieren
Neben den kurzfristigen Entwicklungen wie Inflation, Zinsen und Wahlergebnisse bleiben wir auf langfristige Paradigmenwechsel fokussiert. Dazu zählen auch fünf wichtige strukturelle Kräfte: Dekarbonisierung, Digitalisierung, Deglobalisierung, geopolitische Destabilisierung und demografische Alterung. Aktive Investmentstrategien mit einem Fokus auf Diversifikation und Risikomanagement können ausgesprochen wichtig werden, um diese Veränderungen zu bewältigen und Alpha zu generieren. Investoren, die sich isolieren und auf ein einzelnes Thema konzentrieren, können Chancen verpassen und Risiken unterschätzen.
Die Bemühungen zur Dekarbonisierung eröffnen eine Vielzahl von Investmentmöglichkeiten bei Aktien, Anleihen und alternativen Investments. Saubere-Energie-Technologien werden dank der zunehmenden Erschwinglichkeit und Effizienz von Solarenergie und Batteriespeichern immer wirtschaftlicher. Gleichzeitig können CO2-Emissionen am schnellsten und wirksamsten reduziert werden, indem man emissionsintensiven Unternehmen hilft, ihre Geschäftsmodelle umzustrukturieren. Ziel dabei ist es, sie in Industrie- und Schwellenländern für eine nachhaltigere Wirtschaft neu aufzustellen. In den kommenden Quartalen werden mehr Anleger die Dekarbonisierung voraussichtlich auf granularer Ebene verfolgen. Anhand umfassenderer Kennzahlen werden sie die realen Auswirkungen einzelner Vermögenswerte quantifizieren. Neben der Dekarbonisierung entwickeln sich auch Chancen für integratives Wachstum. Dadurch verbessern sich der Zugang und die Erschwinglichkeit von Bildung, finanzieller Teilhabe und Gesundheitsversorgung.
Digitalisierung und technologischer Fortschritt, insbesondere generative KI, schaffen langfristige Chancen. Angesichts der Geschwindigkeit des Wandels und der Potenziale für Vermögensbildung werden immer mehr Anleger dedizierte Technologieallokationen in Betracht ziehen. Anleger können sich einerseits dafür entscheiden, von den neuesten Entwicklungen zu profitieren, indem sie Kapital direkt in KI-bezogene Gelegenheiten investieren. Sie können jedoch auch davon profitieren, wie KI-Durchbrüche dazu beitragen, Investmentmanagement-Prozesse und Anlageentscheidungen zu verbessern. Immer mehr Unternehmen in unterschiedlichen Sektoren integrieren generative KI in ihre Strategien. Unternehmensleitungen sollten daher überlegen, wie die generative KI als Werkzeug für echte strategische Differenzierung statt nur für Effizienzgewinne genutzt werden kann.
Deglobalisierung und geopolitische Destabilisierung wie auch Dekarbonisierung und disruptive Technologie können wirtschaftliche und finanzielle Auswirkungen verursachen. Anleger brauchen daher ausgeklügelte Strategien, die makroökonomische und geopolitische Expertise kombinieren. Das Zusammenspiel dieser Kräfte kann zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führen. Eine große Herausforderung und Chance besteht darin, die tiefgreifenden Wechselwirkungen dieser Megatrends zu verstehen und ihre Implikationen für Investments zu skizzieren. Auch die demografische Alterung ist nur ein Faktor, der die wirtschaftlichen und sozialen Gegebenheiten in Volkswirtschaften beeinflusst. Langfristig können sich diese Dynamiken jedoch maßgeblich auf politische Prozesse, die Inflation und auch Anlageentscheidungen auswirken.
Quelle: Goldman Sachs Global Investment Research (GIR). Stand: 1. Juni 2024. GIR geht von einem nominalen Basiszinssatz von 3,75 %, einer nominalen Wachstumsrate von 4 % und einem anfänglichen effektiven Zinssatz für die Schulden von 2,57 % aus, wie es derzeit der Fall ist. GIR geht davon aus, dass Rezessionen im Durchschnitt einmal pro Jahrzehnt auftreten und zu einem kumulativen Anstieg des Primärdefizits um 5 Pp. führen. GIR geht davon aus, dass die Zinssätze um 1 Bp. für jeden Anstieg der Staatsschuldenquote um 1 Pp. steigen.
Investmentüberlegungen
Künstliche Intelligenz: Differenzierung durch Daten
Die Entstehung und schnelle Verbreitung der generativen KI schafft Chancen in verschiedenen Anlageklassen und Branchen. Anleger benötigen klare Strategien, um die nächste Generation der KI-Gewinner zu identifizieren und die Technologie selbst zu verstehen und anzuwenden. Eine Kombination aus Investments in und mit künstlicher Intelligenz – zwei unterschiedliche, aber zusammenhängende Ansätze – kann eine langfristige Outperformance ermöglichen. Der Weg dorthin wird aber vermutlich komplex sein und sich kontinuierlich verändern. Je anspruchsvoller und komplexer KI-Modelle werden, desto wichtiger wird die Verfügbarkeit hochwertiger Datensätze. Entscheidend dabei wird eine sorgfältige Datenverwaltung sein: wo die Daten herkommen, die Speicherinfrastruktur, Bereinigungsprotokolle und bestehende Sicherheitsmaßnahmen. Welche Grenzen Unternehmen in Bezug auf die Leistung der generativen KI gesetzt sind, wird wahrscheinlich von der Qualität der Datensätze abhängen. Eine angemessene Infrastruktur und das intellektuelle Kapital, um die wirtschaftliche Logik und Überzeugung hinter den KI-Modellen zu verstehen, sind ebenfalls entscheidend.
Nachhaltiges Wachstum vorantreiben
Die Welt befindet sich unseres Erachtens noch am Anfang eines mehrjährigen Wandels zu nachhaltigem, integrativem Wachstum. Durch den enormen Investitionsbedarf dafür steigt die Bedeutung von GSS-Anleihen (Green Bonds, Social Bonds, nachhaltige Anleihen). Im ersten Quartal 2024 wurden insgesamt 272 Mrd. USD an GSS-Anleihen ausgegeben. Für 2024 wird ein Rekordwert von einer Billion USD erwartet.9 Green-Bond-Emissionen allein beliefen sich in den ersten drei Monaten des Jahres auf 195 Mrd. USD – das stärkste erste Quartal aller Zeiten. In Asien und dem Nahen Osten wird die Zunahme an nachhaltigen Projekten wie grünen Gebäuden und die Notwendigkeit von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel voraussichtlich auch zu einem Wachstum bei Green-Bond-Emissionen führen. Derzeit machen GSS-Anleihen nur 5 % der Fremdwährungsanleihen von Schwellenländern aus. Ein ähnlicher Trend zeigt sich am Markt für Unternehmensanleihen. Mit zunehmender Reife von Green Bonds und dem gesamten GSS-Anleihemarkt werden voraussichtlich mehr Anleger ihre bestehenden Schwellenländeranleihen-Allokationen mit diesem Segment diversifizieren.
China-Comeback?
Der wirtschaftliche Gegenwind für China hält an. Vermutlich werden die Bedingungen im Immobiliensektor entscheidend dafür sein, wie die Erholung verläuft. Hohe Verschuldung, geopolitische Handelskonflikte und eine alternde Bevölkerung machen eine Erholung in diesem Zyklus schwieriger und wahrscheinlich langwieriger. Chinas politische Entscheidungsträger haben nicht untätig zugesehen. Die Intensität, Beschleunigung und Reichweite der fiskal-, geld- und immobilienpolitischen Maßnahmen haben im ersten Halbjahr 2024 angezogen. Das hat chinesische Aktien beflügelt, die auch vom unerwartet guten Wirtschaftswachstum gestützt wurden. In den kommenden Monaten überdenken vielleicht mehr Anleger ihre taktische Haltung gegenüber chinesischen Aktien, gerade weil diese immer noch zu historisch hohen Abschlägen gegenüber globalen Aktien gehandelt werden. Unser Hauptaugenmerk gilt weiterhin den langfristigen Fundamentaldaten chinesischer Unternehmen. Wir sehen Chancen in der modernen Fertigung und der technologischen Innovation. Diese breit aufgestellten Bereiche kommen dem Gesundheitswesen und dem IT-Sektor zugute. Ein Fokus auf Unternehmen mit stabilerem Free Cashflow und Aktionärsrenditen kann sich in den kommenden Quartalen als lohnend erweisen. Vor kurzem wurden US-Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge, Solarzellen und Lithium-Ionen-Batterien angekündigt. Diese Produkte wurden von der chinesischen Führung als Treiber eines qualitativ hochwertigen Wachstums identifiziert. Das zeigt, wie wichtig es ist, die internationale Handelspolitik genau zu beobachten und Unternehmen zu meiden, die in das Fadenkreuz der Geopolitik geraten können.
Drei Schlüsselfragen
1. Was sind die potenziellen Auswirkungen einer steigenden Staatsverschuldung?
Unsere Ansicht: Die US-Staatsverschuldung steigt kontinuierlich und es gibt wenig politische Motivation, das Defizit zu reduzieren. Auf kurze Sicht mag die höhere Staatsverschuldung der USA und anderer Industrieländer nur geringe Auswirkungen auf die Märkte haben. Die langfristigen Effekte sind jedoch schwer messbar. Veränderungen der Schuldenlasten sollten aber genau beobachtet werden, denn sie können Auswirkungen auf die Fiskal- und die Geldpolitik haben. Auch der Zufluss von Anleiheemissionen ist von Bedeutung, da wachsende Schulden und Defizite zu mehr Emissionen von Staatsanleihen mit Auswirkungen auf die Laufzeitprämien führen können.
2. Wie wird die KI Immobilien und Infrastruktur verändern?
Unsere Ansicht: Der Aufstieg der KI hat bereits Auswirkungen auf Immobilien und Infrastruktur. Aus der Perspektive des Immobilienmarktes ist der Standort von Rechenzentren entscheidend, da bezahlbare und zuverlässige Energie eine Grundvoraussetzung für die Weiterentwicklung der KI sind. In Bezug auf die Infrastruktur wird die Erzeugung und Bereitstellung effizienter Energie in den kommenden Jahren maßgebend sein, um das erwartete Wachstum der KI zu unterstützen. Anleger mit den Ressourcen und der Expertise, um sowohl Angebot als auch Nachfrage zu bewerten, sind vermutlich am besten aufgestellt.
3. Welche Chancen entstehen an der Schnittstelle von KI und Nachhaltigkeit?
Unsere Ansicht: Die KI beeinflusst immer mehr Geschäftsbereiche. Der steigende Strombedarf und die Aussicht auf höhere Emissionen von Rechenzentren stoßen daher eine Debatte über Dekarbonisierung an. Bei der wahrscheinlich steigenden Nachfrage nach energieeffizienten Lösungen werden KI-Modelle eine Schlüsselrolle spielen. KI-Tools bergen außerdem das Potenzial, hochwertige Bildung zu demokratisieren und Innovationen im Gesundheitswesen zu fördern. Dadurch verbessern sich der Zugang und die Erschwinglichkeit. Unseren Prognosen zufolge werden Anleger KI zunehmend einsetzen, um die Spreu vom Weizen zu trennen und nachhaltige Anlageziele schneller zu erreichen.
1. US Bureau of Labor Statistics. Stand: 12. Juni 2024.
2. Europäische Zentralbank. Stand: 6. Juni 2024.
3. Goldman Sachs Asset Management, Unternehmensinformationen. Stand: Juni 2024.
4. Goldman Sachs Asset Management. Stand: 29. Dezember 2023. Die bisherige Wertentwicklung bietet keine Garantie im Hinblick auf zukünftige Ergebnisse, die Schwankungen unterworfen sein können.
5. Tokyo Stock Exchange, Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 16. Mai 2024
6. Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 29. Mai 2024.
7. Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 2. Mai 2024.
8. Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 5. Juli 2024.
9. Climate Bonds Initiative. Stand: 20. Juni 2024.