Nachhaltigkeit

Klimainvestitionen in der Realwirtschaft - Putting Your Money Where the Carbon Is

Autor(en)
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Luke Barrs
Managing Director in Fundamental Equity, Goldman Sachs Asset Management
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James Norman
Global Head of Sustainable Investing Client Strategy
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Letitia Webster
Global Head of Sustainability for Private Investing
Der Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft schafft Investitionsmöglichkeiten entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Nur mit einem tiefgreifenden Verständnis der Herausforderungen lassen sich emissionsintensive Sektoren und Unternehmen identifizieren. So ist es möglich in echten Fortschritt zu investieren und die Lösungen zu fördern, die dafür benötigt werden.
Wichtige Erkenntnisse
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Klimainvestitionen 2.0
Anlegern wird zunehmend bewusst, dass für die Dekarbonisierung der Realwirtschaft Kapital in die emissionsintensivsten Sektoren fließen muss. In den Anfangstagen des nachhaltigen Investierens war das ganz anders, als der Fokus vieler Anleger emissionsarmen Sektoren galt.
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Wichtige Signale erkennen
Um Investmentmöglichkeiten im Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und insbesondere in schwer zu dekarbonisierenden Branchen zu erkennen, müssen Anleger Signale für Fortschritt in wichtigen Bereichen wie Kohlenstoffeffizienz von irrelevanten Daten unterscheiden.
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Tiefgehende Marktkenntnisse
Nur wer die ökonomischen Aspekte des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft versteht, kann die daraus entstehenden Investmentchancen nutzen. Allein auf Etikette wie „grün“ oder „nachhaltig“ zu achten, wird nicht ausreichen.
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Die Herausforderungen kennen
Anleger müssen die Herausforderungen verstehen, mit denen kohlenstoffintensive Sektoren bei der Reduzierung ihrer CO2-Intensität konfrontiert sind. So lassen sich Unternehmen, die mit glaubwürdigen Dekarbonisierungsplänen echte Fortschritte machen, und die dafür erforderlichen Lösungen einfacher identifizieren.
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Den Übergang meistern
Ein Investmentpartner, der Erfahrung mit globalem wirtschaftlichem Wandel und tiefgehende Expertise in Märkten und Anlageklassen hat, kann nachhaltigkeitsorientierten Anlegern helfen, sowohl Renditen als auch einen positiven ökologischen Impact zu erzielen.

Bei der Wende zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft geht es um weit mehr als nur Windräder und Solaranlagen. Die Entwicklung sauberer, erneuerbarer Energiequellen ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem nachhaltigen Wachstum der Weltwirtschaft. Aber das ist nur ein Teil der Lösung. Treibhausgasemissionen zu senken und die globale Erwärmung zu begrenzen kann nur mit der Beteiligung der derzeit emissionsintensivsten Unternehmen gelingen. Die Transformation muss gerade außerhalb des Energiesektors in Bereichen stattfinden, in denen die Dekarbonisierung besonders schwer ist. Das sind z. B. die Landwirtschaft, das Bauwesen, die Schwerindustrie und der Verkehr.1

Kapital muss in die Sektoren fließen, die höhere Emissionen verursachen, wie die Produktion von Zement, Chemikalien und Stahl. Das wird Anlegern zunehmend bewusst. In den Anfangstagen des nachhaltigen Investierens war das ganz anders. Viele Anleger waren auf emissionsarme Sektoren fokussiert, die als umweltfreundlicher galten. Jetzt liegt das Wachstum bei zukunftsorientierten „Transition“- und „Improver-“Strategien. Sie investieren in der Regel mehr in Unternehmen, die ihre Geschäftstätigkeit und Produkte gemessen an ESG-Kriterien verbessern wollen. Derzeit machen Fonds in dieser Kategorie nur einen kleinen Teil des insgesamt in ESG-Fonds verwalteten Vermögens aus. Laut Goldman Sachs Global Investment Research sind sie aber gut aufgestellt für weiteres Wachstum.2

Um Investmentmöglichkeiten im Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und insbesondere in schwer zu dekarbonisierenden Branchen zu erkennen, ist es entscheidend, die Spreu vom Weizen zu trennen. Anleger müssen Signale für Fortschritt in wichtigen Bereichen wie Kohlenstoffeffizienz von irrelevanten Daten unterscheiden. Dabei kann ein zukunftsorientierter Ansatz nützlich sein, der die langfristigen Nachhaltigkeitsziele, Einnahmequellen, Kapitalallokationspläne und die Ausrichtung der Ausgaben an Nachhaltigkeitszielen berücksichtigt. Emissionsintensive Unternehmen mit glaubwürdigen Übergangsplänen bieten das größte Potenzial für die Reduktion von Kohlenstoffemissionen. Anleger sollten sich aber auch darüber im Klaren sein, dass der CO2-Fußabdruck ihrer Portfolien zunächst steigen kann, wenn sie in diese Unternehmen investieren.

Der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ist komplex. Daher halten wir einen flexiblen, Anlageklassen und Wertketten übergreifenden Ansatz für den besten Weg, Chancen an den Public und den Private Markets zu nutzen. Er kann Allokationen in Anbieter von grünen Lösungen ergänzen. Letztere sind meist in privater Hand befindliche, kleine und mittelständische Unternehmen, die zu wichtigen Lieferanten für emissionsintensive Unternehmen und deren Emissionsreduktionspläne werden können.

Die Chancen identifizieren

Nur wer die ökonomischen Aspekte des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft versteht, kann die daraus entstehenden Investmentchancen nutzen. Allein auf Etikette wie „grün“ oder „nachhaltig“ zu achten, wird nicht ausreichen. Anleger müssen Schlüsselmärkte eingehend kennen, um die Nachfrage von Unternehmen und Regierungen nach neuen Klimaschutzlösungen sowie die Reaktionen der Anbieter einschätzen zu können. Der Übergang findet so systematisch statt, dass Investmentmöglichkeiten in allen Regionen und Sektoren sowie an vielen Punkten der Lieferkette entstehen können, von Startups bis hin zu Weltkonzernen. Um die besten Chancen zu finden, müssen Anleger erkennen, wann eine Technologie sich durchsetzt, wie sie skaliert werden kann und welche Unit Economics für ihre Akzeptanz nötig sind.

Die derzeitige Klimaantwort von Regierungen, Unternehmen und Anlegern weltweit ist weitgehend darauf fokussiert, die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Umwelt zu verringern. Dazu werden Treibhausgasemissionen reduziert und Ziele gesteckt, um die Welt bis 2050 klimaneutral zu machen. Die Bemühungen reichen von erneuerbarer Energie und Elektrofahrzeugen bis hin zu nachhaltigem Konsum und ökologischer Abfallwirtschaft.

Der Fokus verschiebt sich nun zunehmend hin zur Unterstützung von Unternehmen und Kommunen, die sich an den Klimawandel anpassen und ihre Resilienz stärken. Anleger suchen vielleicht dort nach Möglichkeiten, wo Minderung und Anpassung aufeinandertreffen, etwa in Bereichen wie Biodiversitätsmanagement, Infrastruktur und Kreislaufwirtschaft, so Goldman Sachs Global Investment Research.3

An den Schnittstellen investieren

Der Aufstieg der Künstlichen Intelligenz (KI) und der Umstieg auf saubere Energie gehören zu den Kräften, die die Weltwirtschaft in den kommenden Jahren am meisten verändern werden. Anleger müssen offenkundig die Herausforderungen verstehen, mit denen kohlenstoffintensive Sektoren bei der Reduzierung ihrer CO2-Intensität konfrontiert sind. So lassen sich Unternehmen, die mit glaubwürdigen Dekarbonisierungsplänen echte Fortschritte machen, und die Lösungen, die sie zur Erreichung ihrer Ziele benötigen, einfacher identifizieren.

KI ist auf eine zuverlässige und ausreichende Energieversorgung angewiesen. Die Bearbeitung einer ChatGPT-Anfrage verbraucht beispielsweise deutlich mehr Energie als eine Google-Suche. Diese Tatsache und das erwartete rasante Wachstum der generativen KI werden bis 2030 zu einem 160%igen Anstieg des Strombedarfs der Rechenzentren beitragen, die diese Anfragen bearbeiten.4 Die Energieversorgung könnte daher die KI-Revolution einschränken, wovon Unternehmen entlang der gesamten Wertkette betroffen wären – von innovativen Startups bis hin zu globalen Technologieriesen.

Um Abhilfe zu schaffen, könnten Rechenzentren zum Bespiel energieeffizienter gemacht werden. Seit Jahren entwickeln börsennotierte und in Privatbesitz befindliche Unternehmen dringend gebrauchte Lösungen. Dazu gehören integrierte Kontrollsysteme, die den Energieverbrauch zur Kühlung der Rechenzentren optimieren, ihre Resilienz stärken und die Anfälligkeit für ungeplante Ausfallzeiten verringern. Wenn KI-Chips in Betrieb sind, decken sie die Betriebskosten eines Rechenzentrums größtenteils. Sind sie jedoch nicht ausgelastet, werden die Ausfallzeiten eventuell teurer für die Betreiber als drastische Strompreiserhöhungen.5

Zirkuläre Lösungen entwickeln

Auch die Abfallwirtschaft gehört zu den komplexen Herausforderungen, mit denen fast jeder Wirtschaftszweig umgehen muss, auch die Landwirtschaft, das Bauwesen, die Industrie, der Handel und das Gesundheitswesen.6 Abfall stellt eine dreifache Umweltbedrohung dar: Verschmutzung, Verlust der Biodiversität und Treibhausgasemissionen. Die Vereinten Nationen warnen, dass Untätigkeit hohe Kosten für die menschliche Gesundheit, die Wirtschaft und die Umwelt birgt. Neben zusätzlichen Lösungen für die Abfallvermeidung und –wirtschaft fordern sie einen kreislaufwirtschaftlichen Ansatz, um Abfall zu minimieren und natürliche Ressourcen nachhaltiger zu nutzen.7

Immer mehr Unternehmen setzen mit zirkulären Lösungen an der Schnittstelle von Abfall und Energie an. Durch die Umwandlung von Abfall in erneuerbares oder „Bioerdgas“ werden die Treibhausgasemissionen von Deponien reduziert. Es entsteht eine regenerative Energiequelle für Unternehmen und Haushalte. Lösungen wie diese kurbeln das Marktwachstum an. Die Produktion von Biogas wird in den fünf Jahren bis 2028 voraussichtlich um 32 % steigen.8 Das schafft Investmentmöglichkeiten sowohl bei den Anbietern der Lösungen als auch bei den Unternehmen, die sie einsetzen, um ihre eigenen CO2-Emissionen zu senken.

Zu den weit verbreiteten zirkulären Technologien zählt die anaerobe Vergärung. Dabei wird organischer Abfall unter Sauerstoffabschluss durch Bakterien zersetzt und in Biogas umwandelt. Dieser natürliche Prozess erzeugt Methan, ein starkes Treibhausgas, das für mindestens ein Viertel der aktuellen Erderwärmung verantwortlich ist.9 Organischer Abfall, der in geschlossenen „Reaktoren“ umgewandelt wird, muss nicht auf die Mülldeponien gebracht werden. Unternehmen können das Biogas als erneuerbaren Energieträger verkaufen. Der feste Gärrückstand kann als natürlicher Dünger verkauft oder für Produkte wie Tiereinstreu verwendet werden.10

Übergangsgeschäft

Während die Fristen für Klimaziele in der Zukunft liegen, wie etwa das Erreichen von Klimaneutralität bis 2050, findet der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft bereits jetzt statt. Es wird immer mehr investiert, denn Anleger, Unternehmen und Regierungen buhlen um neue Wachstumschancen. So stiegen beispielsweise die weltweiten Investitionen in die Energiewende 2023 auf ein Rekordhoch von 1,8 Billionen USD. Das entspricht einem Plus von 17 % zum Vorjahr.11

Die Anbieter von Klimaschutzlösungen entwickeln eine breite Palette innovativer Technologien in Bereichen wie fortschrittliche Batterien, Biokraftstoffe, emissionsarme Baustoffe, nachhaltige Landwirtschaft und grüner Stahl. Viele dieser Unternehmen befinden sich noch in Privatbesitz und nicht alle werden einmal globale Riesen. Aber sie können in die Lieferketten größerer Konzerne integriert werden und so Wachstumsmöglichkeiten schaffen. Manche Unternehmen, die diese Lösungen für ihre glaubwürdigen Übergangspläne nutzen, halten wir derzeit für unterbewertet. Diejenigen, die sich erfolgreich entwickeln, können in der neuen nachhaltigen Wirtschaft die Nase vorn haben.

Wer über die richtigen Kenntnisse und praktischen Einfallsreichtum für den Einsatz von Kapital verfügt, findet neue Investmentmöglichkeiten. Ein Investmentpartner, der Erfahrung mit globalem wirtschaftlichem Wandel und tiefgehende Expertise in Märkten und Anlageklassen hat, kann klimabewussten Anlegern helfen, sowohl ihre Renditeziele als auch den angestrebten ökologischen Impact zu erreichen.

1.  In einem eindrücklichen Bericht über globale Erwärmung hat der Weltklimarat IPCC der Vereinten Nationen die Komplexität des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft hervorgehoben. Das Erreichen eines wichtigen Klimaziels – die Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5°C – würde danach „schnelle und weitreichende“ Systemübergänge in Land-, Energie-, Industrie-, Gebäude, Verkehrs- und Stadtsystemen erfordern. Siehe „Sonderbericht über 1,5°C globale Erwärmung“, IPCC. Stand: 8. Oktober 2018.
2. „Navigating Sustainable Investing Uncertainty and Opportunity in 2024“ (Vom Wunsch zum Handeln – Unsicherheit und Chancen beim nachhaltigen Investieren 2024), Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 2. Januar 2024. Diese Gruppe von Fonds macht 3 bis 4 % des gesamten verwalteten Vermögens in ESG-bezogenen Fonds aus. Der Fokus auf die Realwirtschaft zeigt sich besonders deutlich bei sogenannten „Improver“- oder „Verbesserer“-Fonds, die traditionell doppelt so hoch in fossile Brennstoffe investiert sind wie ein durchschnittlicher ESG-Fonds. Das im Bericht betrachtete Universum von Transition- und Improver-Fonds umfasst Artikel-8- und -9-Fonds, die Begriffe wie „Transition“, „Paris-aligned“, „Decarbonization“ und „Improver“ im Namen haben. Energiewendefonds, die in Unternehmen investieren, die ihre Geschäftsstrategien an den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft anpassen, wachsen ebenfalls. Laut Morningstar stieg das weltweit verwaltete Vermögen dieser Fonds 2023 um 25 % auf 210 Mrd. USD. Siehe „Investing in Times of Climate Change 2023“ (Investieren in Zeiten des Klimawandels 2023), Morningstar. Stand: April 2024.
3.  „GS SUSTAIN: Adaptation: Physical Risk, Financial Risk, Opportunity“ (Anpassung: Physische Risiken, Finanzrisiken, Chancen), Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 10. Januar 2024.
4.  „AI is poised to drive 160% increase in data center power demand“ (KI wird Energiebedarf der Rechenzentren voraussichtlich um 160 % nach oben treiben), Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 14. Mai 2024.
5. „GPU Cloud Economics Explained – The Hidden Truth“ (Die verborgene Wahrheit hinter der Ökonomie von GPU Clouds), SemiAnalysis. Stand: 4. Dezember 2023.
6. „Beyond an Age of Waste: Turning Rubbish Into a Resource“ (Nach einer Ära der Verschwendung: Wie aus Müll eine Ressource wird), UN-Umweltprogramm. Stand: 28. Februar 2024. Außerdem erzeugen Städte und Kommunen rund um den Globus mehr als 2 Milliarden Tonnen an Feststoffabfall pro Jahr.
7.  Ibid.
8. „Renewables 2023: Analysis and Forecasts to 2028“ (Erneuerbare Energien 2023: Analyse und Prognosen bis 2028); Internationale Energieagentur. Stand: Januar 2024.
9. „Methane“ (Methan), UNEP-Website. Stand: 26. Mai 2024.
10. „How Does Anaerobic Digestion Work“ (Wie anaerobe Vergärung funktioniert), Website der US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency. Stand: 26. Mai 2024.
11.  „Energy Transition Investment Trends 2024“ (Trends 2024 bei Investitionen in die Energiewende), BloombergNEF. Stand: 30. Januar 2024. Die Elektromobilität machte mit 634 Mrd. USD den größten Anteil dieser Ausgaben aus, gefolgt von erneuerbaren Energien mit 623 Mrd. USD.

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