Makroökonomie

Von Core bis Credit: Ein neues „Playbook“ für Anleihen

8. Februar 2024 | 8 Minuten Lesezeit
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Autor(en)
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Sophia Ferguson
Portfolio Manager, Multi-Sector Fixed Income & Investment Grade Credit
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Kevin Sterling
Global Head of Investment Grade Private Credit and Asset Finance
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Gurpreet Garewal
Macro Strategist, Global Fixed Income
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Juliana Hadas
Portfolio Solutions for Alternatives Capital Markets and Strategy
Perspektiven
Dieser Artikel ist Teil unserer Perspektiven Serie
Wichtige Erkenntnisse
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Mit hochwertigen Anleihen können 2024 die attraktivsten Renditen seit vor der globalen Finanzkrise erzielt werden. Für Anleger kann es sich lohnen, wieder oder mehr in traditionelle Anleihen zu allokieren, denn die rückläufige Inflation ebnet den Weg für Zinssenkungen. Höhere Renditen bieten auch Schutz vor weiter steigenden Zinsen.
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Die Beimischung von Private Credit kann die Diversifizierung von Portfolios und das Renditepotenzial steigern. Anleger sollten jedoch eine Vielzahl von Strategien und Fonds mit unterschiedlichen Risiko- und Renditeprofilen in Betracht ziehen.
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Ausschlaggebend für die Renditegenerierung sind unserer Ansicht nach eine aktive Titelauswahl, Diversifikation und eine dynamische Portfoliostrukturierung. Damit können auch finanzielle Notlagen vermieden werden, wenn sich das makroökonomische Umfeld ändert und langfristige Trends sich beschleunigen.

An den Anleihemärkten bieten sich ganz neue Chancen für Anleger. Dank gestiegener Renditen lohnt es sich wieder, traditionelle Anleihen ins Portfolio zu nehmen oder die bestehende Allokation zu erhöhen. Darunter versteht man hochwertige, risikoarme Anleihen wie Staatsanleihen und Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating, die kaum oder negativ mit Aktien und anderen Vermögenswerten korrelieren. Berechenbare Erträge, eine geringere Volatilität als bei zyklischen Vermögenswerten und Diversifikationsvorteile sorgen für Ausgewogenheit und Stabilität in einem breit gestreuten Portfolio.

Wer sich über diese bekannten Anleihen hinauswagt, findet auch bei Private Credit Diversifikationsvorteile und höheres Renditepotenzial. Doch wo Chancen bestehen, gibt es auch Unsicherheit und Herausforderungen. Die Weltwirtschaft, die Gesellschaft und die Finanzmärkte erleben eine grundlegende Transformation, die von fünf strukturellen Kräften ausgeht: Dekarbonisierung, Digitalisierung, Deglobalisierung, geopolitische Destabilisierung und demografische Alterung. Mit einer aktiven Einzeltitelauswahl, Diversifikation und dynamischer Portfoliostrukturierung können Anleger trotz dieser Herausforderungen widerstandsfähige, renditeorientierte Portfolien aufbauen.

Den „Core“ stärken

Die „große Flucht“ aus dem Niedrigzinsumfeld des letzten Zyklus war turbulent. Nahezu jedes Finanzinstrument litt 2022 unter negativen Renditen, nachdem die geldpolitischen Zügel zur Bekämpfung der hohen Inflation rasant angezogen wurden. Der Wendepunkt kam im November 2023. Die Hinweise auf einen Rückgang der Inflation mehrten sich und bekräftigten die Einschätzung, dass die großen Zentralbanken den Höhepunkt ihres Straffungszyklus erreicht hatten. Anleihen konnten das Jahr robust beenden.

Ein solides Ende für 2023 Ein solides Ende für 2023

Quelle: Goldman Sachs Asset Management, Macrobond, Bloomberg, J.P.Morgan, ICE BofAML, Markit iBoxx. Jährliche Gesamtrenditen mit Stand 2023. Landeswährung. Die bisherige Wertentwicklung bietet keine Garantie im Hinblick auf zukünftige Ergebnisse, die Schwankungen unterworfen sein können.

Selbst nach dieser beeindruckenden Wertentwicklung ist es 2024 möglich, die attraktivsten Renditen auf hochwertige Anleihen seit vor der globalen Finanzkrise zu erzielen. Dazu müssen Anleger nicht einmal in riskantere Marktsegmente investieren. Stattdessen können sie Allokationen in traditionellen Anleihen wie Investment-Grade-Unternehmensanleihen, verbrieften oder Staatsanleihen aufstocken oder einrichten. Hochzins- oder Schwellenländeranleihen eignen sich zur Beimischung, um das Kapitalzuwachspotenzial zu steigern.

Traditionelle Anleihen werfen wieder Renditen ab Traditionelle Anleihen werfen wieder Renditen ab

Quelle: Macrobond, ICE BofAML, Goldman Sachs Asset Management. Stand: 17. Januar 2024.  

Traditionelle Anleihen können unserer Ansicht nach von den bis zum Jahresende erwarteten Leitzinssenkungen profitieren. Vorteilhaft ist auch, dass ihre Ausgangsverzinsung höher als im letzten Zyklus und sogar noch vor einem Jahr ist. Höhere Renditen bieten Anlegern Schutz vor möglichen Zinsanstiegen. Dazu könnte es im Fall von Inflationsschocks kommen, etwa wenn geopolitische Spannungen zu globalen Lieferengpässen oder Störungen an den Rohstoffmärkten führen.

Zur Einordnung: Die Renditen von US-Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating müssten um mehr als 0,72 % steigen, um in den folgenden 12 Monaten negative Gesamtrenditen zu verursachen. Das halten wir für unwahrscheinlich, denn wir schätzen die Bilanzzahlen von Unternehmen und die Konjunkturlage positiv ein. Seit dem Zinsgipfel im Oktober hat sich dieser „Renditepuffer“ verringert, doch er ist nach wie vor so hoch wie seit 2010 nicht mehr. Traditionelle Anleihen sind eine Möglichkeit, Kapitalerhalt und beständige Ertragsströme in einem breit diversifizierten Portfolio zu erzielen.

In der Regel sind traditionelle Anleihen auch liquider als zyklischere Bereiche des Anleihemarkts oder als Aktien. In einer Lage, die mit häufigeren wirtschaftlichen Veränderungen konfrontiert ist, ist das eine attraktive Eigenschaft. 

Eine hohe Hürde, um positive Gesamtrenditen auszuschließen Eine hohe Hürde, um positive Gesamtrenditen auszuschließen

Quelle: Goldman Sachs Asset Management, Macrobond, Bloomberg. Stand: 12. Januar 2024. Diese Analyse basiert auf einer Carry-Rendite (über den Kurszuwachs hinausgehende erwartete Gesamtrendite) und berücksichtigt keine Roll-Rendite (Veränderung der Rendite, die sich mit der Zeit durch das Umschichten (Rollen) entlang einer Zinsstrukturkurve ergibt). Wir gehen von der Annahme aus, dass es keine Verluste durch Zahlungsausfälle gibt. Diese Beispiele dienen lediglich zur Veranschaulichung. Es handelt sich dabei nicht um tatsächliche Ergebnisse. Falls sich verwendete Annahmen als unzutreffend erweisen, kann eine erhebliche Ergebnisabweichung die Folge sein.

Resilienz durch höhere Zinsen

Die seismischen Schocks der Pandemie und globalen Konflikte haben gezeigt, wie wichtig die Vorbereitung und Resilienz unserer Wirtschaft, unseres Gesundheitswesens und unserer Lieferketten ist. Dies gilt gleichermaßen für Investmentportfolien. Die Welt ist voller Unsicherheiten, die von Cybersicherheitsrisiken durch Künstliche Intelligenz bis hin zu unvorhergesehenen „Green Swan“-Ereignissen reichen, die durch Klimakippunkte ausgelöst werden. All das macht die Konstruktion resilienter Portfolien umso dringlicher.

Nachdem die Null- oder Niedrigzinsen überwunden sind, können Staatsanleihen oder Zinssätze als wichtige Bestandteile einer Allokation in traditionellen Anleihen nun wieder zum Schutz gegen Abwärtsrisiken für das Wachstum eingesetzt werden. Die schützende Rolle von Staatsanleihen wurde im März 2023 deutlich: Damals erlebte die Rendite der 2-jährigen T-Note den stärksten monatlichen Rückgang seit 1982, nachdem es zu Stress bei regionalen US-Banken gekommen war. Jetzt herrscht wieder ein Umfeld, in dem die Abwärtsrisiken für das Wachstum die Aufwärtsrisiken für die Inflation und eine restriktivere Geldpolitik überwiegen. Dies sollte auch eine Rückkehr zu negativen Korrelationen zwischen Anleihen und Risikoanlagen unterstützen und somit den Wert von Staatsanleihen in einem Portfolio noch stärken. Wenn andere Vermögenswerte im Portfolio volatil sind oder an Wert verlieren, können Staatsanleihen Verluste reduzieren und Stabilität bieten.

Den Anleihehorizont erweitern

Für Anleger, die über die öffentlichen Kapitalmärkte hinausblicken möchten, hat sich Private Credit zu einer diversifizierten Anlageklasse mit vielen Vorteilen entwickelt: ein breites Spektrum an Emittenten, Bonitätsratings und Risiko-Rendite-Profilen sowie höhere Renditen, Schutz vor kurzfristiger Marktvolatilität und potenzielle Diversifikationsvorteile.

Derzeit entfällt der Großteil des in Private Credit verwalteten Vermögens auf Unternehmenskredite. Die Anlageklasse umfasst jedoch auch diversifizierende Strategien wie Sachwertkredite und Spezialfinanzierungen,  die sich in ihren Risiko-Rendite-Profilen und ihrer Konjunkturempfindlichkeit unterscheiden. Sachwertkredite können beispielsweise an Projekte vergeben werden, die von langfristigen Trends oder spezifischen Angebots- und Nachfragedynamiken beeinflusst werden. Die Anbieter von Spezialfinanzierungen hingegen gewähren Kredite, die durch Ausrüstungen und andere materielle Vermögenswerte, zukünftige Einnahmen wie Lizenzgebühren oder Pools von Finanzanlagen wie Verbraucherkredite abgesichert sind. Wir halten Asset Finance für ein wachsendes Marktsegment.

Bei von Unternehmen begebenem Private Credit waren die Zahlungsausfälle in diesem Zyklus bisher verhalten. Die operativen Fundamentaldaten von Kreditnehmern blieben weitgehend robust. Wenn Stress entstand, konnten Kreditnehmer und Kreditgeber dank der bilateralen Natur von Private Credit potenzielle finanzielle Probleme proaktiv angehen und somit Ausfälle verhindern. Viele Kreditnehmer werden außerdem von Finanzinvestoren unterstützt, die ihre eigenen Beteiligungen schützen möchten.

Die Aussicht auf Leitzinssenkungen 2024 ist eine erfreuliche Entwicklung für Kreditnehmer mit variabel verzinslichen Verbindlichkeiten. Die Auswirkungen dieser Zinsschritte dürften jedoch begrenzt sein. Die verhältnismäßig geringen Zahlungsausfälle dürften unseren Erwartungen nach anhalten, unter den einzelnen Krediten wird es jedoch mehr Streuung geben. Unternehmen mit geringerer Verschuldung oder stärkerem Cashflow werden das Zinsumfeld voraussichtlich besser verkraften. Hoch verschuldete Unternehmen und Geschäftsmodelle hingegen müssen sich auf höhere Schuldenlasten einstellen. Starke Unternehmen, deren Bilanzen sich erst noch an das aktuelle Zinsumfeld anpassen müssen, könnten für eine stärkere Nachfrage nach kreativen Finanzierungslösungen einschließlich Hybridkapital sorgen.

Wir raten Anlegern bei der Allokation in Private-Credit-Strategien daher zu einem detaillierten und differenzierten Ansatz. Eine Möglichkeit wäre, Parallelen zwischen Private-Credit-Strategien und den am ehesten vergleichbaren Investmentstrategien an den Public Markets zu ziehen. Dies kann bei der Definition von Portfoliomerkmalen, -rollen und Diversifikationsansätzen helfen.

Parallelen zwischen Private und Public Credit Parallelen zwischen Private und Public Credit

Quelle: Goldman Sachs Asset Management. Nur zur Veranschaulichung. Stand: September 2023.

Neue Fondstrukturen können den Zugang zu Private Credit erleichtern und eine dynamischere Portfoliostrukturierung ermöglichen. Der semiliquide Markt etwa bietet sofortigen Zugang zu Private-Market-Allokationen mit regelmäßiger Liquidität (vorbehaltlich von Mechanismen wie Gates und Queues) und Wiederanlage von Erlösen. Das stärkt den Zinseszinseffekt.

Selektiv und aktiv bleiben

Einschneidende Veränderungen in der Wirtschaft und an den Märkten schaffen neue Chancen in traditionellen wie auch in alternativen Anleihekategorien. Anleger sollten selektiv und aktiv zwischen zyklischen Dynamiken und zugrunde liegenden strukturellen Trends unterscheiden. So können sie Renditen generieren und gleichzeitig finanzielle Notlagen bei Kreditnehmern vermeiden.

Strukturelle Trends wie Dekarbonisierung, Digitalisierung, Deglobalisierung, geopolitische Destabilisierung und demografischer Wandel beschleunigen sich. Die Kluft zu Unternehmen oder Ländern, die auf der falschen Seite des Wandels stehen, dürfte sich vergrößern. Es wird daher immer wichtiger, resiliente Unternehmen und staatliche Emittenten mit einer klaren langfristigen Vision zu identifizieren.

Auch die Streuung über Anlageklassen, Sektoren und Regionen dürfte zunehmen, wenn sich die Zinsen auf einem höheren Niveau stabilisieren. Das kann besonders herausfordernd sein für staatliche Emittenten in Industrieländern mit einer beunruhigenden Entwicklung der Staatsverschuldung, für bestimmte Schwellenländerregierungen mit einer hohen Verschuldung in US-Dollar, für kleinere Unternehmen mit begrenzten Finanzierungsmöglichkeiten und für Banken mit hohen Krediten für gewerbliche Immobilien.

Nur eine Analyse der einzelnen Unternehmen und Anleihen kann identifizieren, welche gut aufgestellt sind, um höhere Kapitalkosten zu verkraften und von langfristigen Megatrends zu profitieren. In einem Umfeld zunehmender geldpolitischer Divergenz können aktives Management und eine dynamische Portfoliostrukturierung für diejenigen Anleger wertvoll sein, die Zinsunterschiede an den Märkten nutzen möchten.

Wenn die Zinsen länger höher bleiben, werden sich die Unternehmen, die gut aufgestellt sind, stärker von denen abheben, die in finanzielle Schieflage geraten. Die Auswahl des richtigen Private-Credit-Managers wird dann noch wichtiger.

Positiv am aktuellen Umfeld für Anleihen ist das höhere Ertrags- und Gesamtrenditepotenzial. Eine Verlangsamung des Wachstums und die Herausforderungen, vor denen hochverschuldete Unternehmen eventuell stehen, sind jedoch die Kehrseite der Medaille. Die sich beschleunigenden langfristigen Trends bergen sowohl Chancen als auch Herausforderungen für Anleger. Um mit Anleihen Erfolg zu haben, sind eventuell neue Taktiken erforderlich: aktives Management, dynamische Portfoliostrukturierung und die Flexibilität, in ein breites Spektrum von traditionellen Anleihen bis hin zu Private Credit zu investieren.

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Gurpreet Garewal
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Juliana Hadas
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Von Core bis Credit: Ein neues „Playbook“ für Anleihen
Wir sind überzeugt, dass es an der Zeit ist, ein neues Playbook für Anleihen zu schreiben. Dabei bilden aktives Management und dynamische Asset-Allokation die tragenden Säulen.
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