Mit Private Credit die Energiewende finanzieren
Das in Private-Markets- und Nachhaltigkeitsstrategien verwaltete Vermögen ist in den letzten Jahren rapide gewachsen. Dort, wo diese beiden Welten aufeinandertreffen, eröffnen sich immer mehr Chancen, die Energiewende mit Private Debt maßgeblich zu unterstützen. Schätzungen zufolge müssen bis 2050 rund 300 Billionen USD investiert werden, um Netto-Null-Ziele zu erreichen.1 Auf dem Weg zur Klimaneutralität kommt privatem Kapital eine wichtige Rolle zu: Bis zu 70 % der gesamten Finanzierung müssen wahrscheinlich von den Private Markets bereitgestellt werden. Die größte Kapitalquelle für die Dekarbonisierung wird voraussichtlich Private Credit mit einem Anteil von etwa 60 % an den notwendigen Investitionen sein.2 Weltweit trägt nach wie vor eine breite Gruppe von Branchen zum Klimawandel bei, die weit über die traditionell im Fokus stehenden Sektoren Energie, Verkehr und Schwerindustrie hinausgeht. Private Equity hat den Stein ins Rollen gebracht, aber für die Skalierung wird jetzt Private Debt benötigt.
Während die Märkte für Infrastrukturfinanzierungen überwiegend auf etablierte, weitgehend risikoarme Saubere-Energie-Projekte ausgerichtet sind, gibt es in anderen Bereichen der Energiewende erhebliche Finanzierungslücken. Dafür werden kreative, lösungsorientierte Finanzinstrumente gebraucht, die ein attraktives risikobereinigtes Renditepotenzial bieten.
Zwischen Angebot und Nachfrage entstand ein Ungleichgewicht: Private-Debt-Kapital für Investitionen in Nachhaltigkeitsthemen ist knapp, aber beträchtliche Schubkräfte treiben den Kapitalbedarf der Energiewende nach oben. Der Bereich nachhaltiges Investieren hat in den letzten zehn Jahren enormes Kapital angezogen. Dennoch sind dafür nur etwa 50 Mrd. USD in Private Credit. Über 650 Mrd. USD wurden hingegen für Nachhaltigkeit in Private Equity investiert. Genau das Gegenteil muss jedoch passieren, um diese Branche künftig zu skalieren.

Quelle: Bloomberg New Energy Finance. Nachhaltige Strategien decken folgende Pitchbook-Kategorien ab: Landwirtschaft; Luft; Biodiversität und Ökosysteme; Klima; Energie; Infrastruktur; Land; Ozeane und Küstenzonen; Umweltverschmutzung; Abfall; Wasser. Zu Private-Equity-Fonds zählen Private Equity, Risikokapital und Infrastruktur. Die Wachstumskennzahlen vergleichen das von 2015 bis 2018 mit dem von 2019 bis 2022 eingesammelten Kapital. Stand: 31. Dezember 2023.Weitere Informationen zu den Quellen finden Sie am Ende.
Während Energiewendesektoren in der Vergangenheit überwiegend von Banken finanziert wurden, kommen inzwischen andere Kreditgeber hinzu. Die Energiewendewirtschaft ist reifer geworden. Dadurch sind die Ertragsströme nicht mehr so volatil und die Branche ist attraktiver für Investitionen. Gleichzeitig priorisieren Investoren zunehmend Nachhaltigkeitsziele, denn sie erkennen die Diversifikationsvorteile dieser Strategie und die attraktiven, risikobereinigten Renditechancen in diesem Sektor. Kreditnehmer benötigen maßgeschneiderte Lösungen für ihren wachsenden und sich verändernden Finanzierungsbedarf. Diese Trends spiegeln sich in einem Anstieg nachhaltigkeitsorientierter Private-Credit-Produkte wider.
Private Debt als Schlüssel zur Finanzierung der Energiewende
Dank gesamtwirtschaftlicher Einflüsse ist die Bedeutung von Private Debt für die Finanzierung der Energiewende gestiegen. Sustainable Credit wird immer attraktiver, denn mehrere makroökonomische Schubkräfte schüren den Kapitalbedarf:
- Reifende Klimawirtschaft
- Immense politische und regulatorische Unterstützung fördert Investitionen
- Bedarf an maßgeschneiderten Finanzierungslösungen
Schubkraft 1: Reifende Klimawirtschaft
Innovation und Skalierung verbessern die Kosteneffizienz vieler Klimaschutzlösungen. Zahlreiche Saubere-Energie-Technologien haben sich weiterentwickelt und sind aus der Perspektive von Kreditgebern weniger risikobehaftet, sprich: investierbar. Erneuerbare Energieträger sind beispielsweise in den meisten Regionen der Welt mittlerweile die günstigste Form der Energieerzeugung, denn die Kosten sind in den letzten zehn Jahren drastisch gesunken: Offshore-Wind um 61 %, Solarenergie um 89 % und Batterien um 83 %.3 In der reifenden Klimawirtschaft konnten Unternehmen skalieren und attraktive Kapitalflüsse erzielen. Das verdanken sie unter anderem langfristigen Abnahmeverträgen mit Kunden und steuerlichen Anreizen. Diese Faktoren machen sie aus einer Risikoperspektive zu überzeugenden Investitionen.
Nachhaltige Lösungen haben sich aufgrund von Netto-Null-Verpflichtungen und des stärkeren Fokus seitens Kunden, Investoren und anderer Stakeholder zu einem zentralen Thema für viele Unternehmen entwickelt. Etwa 99 % der S&P-500-Unternehmen veröffentlichen Nachhaltigkeitskennzahlen und mehr als 75 % nennen Nachhaltigkeit als wichtigen Punkt auf ihrer Agenda. Darüber hinaus haben sich etwa 66 % der Fortune-Global-500-Unternehmen zu ambitionierten Klimazielen verpflichtet; 2018 waren es nur 14 %.4
Auch die kommerziellen Chancen im Bereich Nachhaltigkeit nehmen zu. Nachhaltige Geschäftsmodelle haben bessere Wachstumsaussichten als weniger nachhaltige traditionelle Unternehmen. Die Chancen beschränken sich nicht nur auf erneuerbare Energien. Wie man in der Tabelle unten sieht, gibt es diesen Trend auch in den Bereichen Abfall und Rohstoffe, nachhaltige Lebensmittel und Landwirtschaft, Ökosystemdienstleistungen und Wasser, saubere Energie und nachhaltiger Verkehr.

Quelle: Goldman Sachs Asset Management. Weitere Informationen zu den Quellen finden Sie am Ende.
Schubkraft 2: Immense politische und regulatorische Unterstützung fördert Investitionen
Heute fördern Regierungen Investitionen durch attraktive Anreize und politische Unterstützung. Neue Gesetze wie der Inflation Reduction Act (IRA) in den USA und ähnliche Verordnungen in Europa erweitern das Universum der Investmentmöglichkeiten.
In den USA wird der IRA voraussichtlich bis 2032 rund 2,9 Billionen USD an grünen Investitionen entlang der gesamten Lieferkette mobilisieren.5 Zu den wichtigsten Anreizen gehören die Verlängerung der 30-prozentigen Steuergutschrift für Investitionen in Erneuerbare-Energie-Projekte, eine zusätzliche 10-prozentige Steuergutschrift für die Verwendung von in den USA produzierten Erzeugnisse sowie Steueranreize für in den USA produzierte Bestandteile von Erneuerbare-Energie-Systemen (gemäß Paragraf 45X der US-Abgabenordnung). Die 45X-Steuergutschrift gilt für zahlreiche Komponenten der Erneuerbare-Energie- und Saubere-Energie-Branchen. Dazu zählen Produkte aus der Solar–/Photovoltaik-Wertkette, Batteriezellen und -module, Wechselrichter, Mineralien für die Batterieproduktion und Windenergieprodukte.6 Diese Anreize fördern die Verlagerung der Produktion in die USA sowie den Ausbau lokaler Erneuerbare-Energie-Projekte. Einige dieser Anreize sind nur bis 2032 verfügbar. Daher wächst der Druck, Produktionskapazitäten schnell aufzubauen, um die Steuervorteile zu maximieren. Kurzfristig steigt daher der Kapitalbedarf.
Auch in Europa erleben wir regulatorischen Rückenwind. Die im Rahmen grüner Regulierung zuletzt verabschiedeten Maßnahmen erfordern Schätzungen zufolge bis 2030 über eine Billion USD an Investitionen.7 Das Netto-Null-Industrie-Gesetz der EU schafft einen regulatorischen Rahmen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit von Schlüsseltechnologien für die Dekarbonisierung. Die Europäische Investitionsbank (EIB) kündigte auf das Gesetz hin an, zur Unterstützung des Industrieplans zum Grünen Deal der EU bis 2027 ihr Fördervolumen für saubere Energien um 45 Mrd. EUR anzuheben. Damit erhöht die EIB ihr REPowerEU-Paket um 50 %. Dazu gehören auch Garantien zur Risikominimierung für Windkraftprojekte im Rahmen des neuen EU-Windenergiepakets.
Weltweit haben mehr als 140 Länder, darunter China, die USA, Indien und die Europäische Union, Netto-Null-Ziele gesetzt, die rund 88 % der globalen Emissionen abdecken.8
Schubkraft 3: Der Bedarf an maßgeschneiderten Finanzierungslösungen
Aufgrund der beschriebenen Entwicklungen brauchen Unternehmen heute mehr denn je Fremdkapital, um ihren Finanzierungsbedarf zu decken. Traditionell finanzierten Banken seit Jahren Erneuerbare-Energie-Projekte. Immer mehr Kreditnehmer benötigen jedoch maßgeschneiderte Lösungen, die auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten und über traditionelle Quellen oft nicht verfügbar sind.
Ein attraktives Risiko/Rendite-Potenzial sehen wir vor allem bei strukturierten Investments, die durch neue Regulierung entstehen. Viele Kreditnehmer brauchen Kapital. Nur wenige Manager verfügen aber über die nötige Expertise, die Erfahrung und die geografische Reichweite, um diese Finanzierungen anbieten zu können. Wer sich mit den komplexen regulatorischen und steuerlichen Aspekten auskennt, hat einen Wettbewerbsvorteil. Durch ihre individuelle Strukturierung bieten viele dieser Investments eine höhere Rendite als das traditionelle Direct-Lending, bei dem die Ausgestaltung schwieriger ist. Zu den maßgeschneiderten Finanzierungslösungen, die Kreditnehmer brauchen, zählen:

Kredite, die durch den verbleibenden Eigenkapitalanteil des Unternehmens besichert sind, oft in einem Portfolio langfristiger Verträge für Saubere-Energie-Projekte.

Investitionen zur Unterstützung von Saubere-Energie- oder Klimaschutzprojekten, die durch die Assets und Kapitalflüsse der Projekte gesichert sind. Für manche dieser Projekte stehen auch Steuervorteile zur Verfügung.

Vorrangdarlehen, die durch Gebäude/Maschinen gesichert sind und mit den Einnahmen aus dem Verkauf von Cleantech-Geräten und staatlichen Steuergutschriften (z. B. 45X des IRA) zurückgezahlt werden.
Potenzielle Vorteile für die Portfoliokonstruktion
Anleger messen der Energiewende einen immer höheren Stellenwert bei. Das Bewusstsein steigt, dass nachhaltiges Investieren keine Konzessionen erfordert und attraktive risikobereinigte Renditen bieten kann. Mit Investitionen in die Energiewende können Anleger außerdem ihre Anleiheallokation diversifizieren, denn der Direct-Lending-Markt wächst. Nachhaltige Anleihen korrelieren unseres Erachtens nur gering mit nachhaltigen Aktien, ähnlich wie traditionelle Aktien- und Anleiheinvestments. Daher eignen sie sich zur Diversifizierung eines Anlageportfolios.
Investoren setzen ihr Kapital in diesem Bereich immer anspruchsvoller ein. Sie integrieren beispielsweise Nachhaltigkeitskriterien wie Dekarbonisierungsinitiativen und Mitarbeiterbeteiligung oder koppeln Investments an konkrete Impact-Ziele wie CO₂-Reduktion und den Erhalt von Ökosystemen. Wir beobachten, dass Anleger ihre Allokationen auf die vielversprechendsten Impact-Investments ausrichten möchten. Sie suchen aber auch nach neuen Möglichkeiten, ihre nachhaltigen Investments über verschiedene Anlageklassen zu diversifizieren. In Private Credit sind viele nachhaltigkeitsorientierte Anleger unterallokiert. Private-Debt-Fonds machten in den letzten zehn Jahren nur 6 % des für Nachhaltigkeitsstrategien eingesammelten Kapitals aus. Für die Private Markets insgesamt liegt dieser Anteil bei 15 %.9
Die Nachfrage von Anlegern wird voraussichtlich steigen, je mehr sich nachhaltiges Investieren zum Mainstream entwickelt und neben traditionellen Anlagen in Portfolien integriert wird. Auch der massive Vermögenstransfer von den Babyboomern an die Millennials wird die Nachfrage nach oben treiben: 84 Billionen USD werden an die Millennials vererbt, von denen 90 % an nachhaltigem Investieren interessiert sind10. Bei dieser Gruppe ist die Wahrscheinlichkeit doppelt so hoch wie bei der Gesamtbevölkerung, dass sie in auf Umwelt- oder Sozialthemen spezialisierte Fonds investieren.11 Anleger setzen zunehmend eigene Nachhaltigkeitsziele und benötigen Lösungen, um sie zu erreichen.
Robuste Pipeline
Wir sehen eine robuste Pipeline an Investmentmöglichkeiten, die die globale Energiewende in verschiedenen Endmärkten unterstützen. Ein Entwickler von Solarenergielösungen für gewerbliche und industrielle Anwendungen kann beispielsweise mit einem Darlehen neue Assets erwerben und das Wachstum seiner Portfolien unterstützen. Auch Unternehmen im Bereich saubere Energie müssen sich finanzieren, wie etwa B2B-Ingenieurdienstleister mit Kunden im Bereich erneuerbare Energien, Flächenentwicklung, öffentliche Infrastruktur und Energieendmärkte. Dieser Trend ist auch bei Anbietern von Lösungen zur Reduzierung der Emissionen und des Lärms von stationären Hubkolbenmotoren zu beobachten.
Auch abseits der sauberen Energie sehen wir viele interessante Möglichkeiten, wie Projektfinanzierungen in der nachhaltigen Aquakultur oder der Produktion von Biomasse und Biomethan. Finanzierungen für Unternehmen wie auf die Energiewende fokussierte Softwareanbieter oder Unternehmen, die auf Technologien zur Emissionsreduktion spezialisiert sind, zählen ebenfalls dazu.
Die Vielfalt an ökologischen Themen, Sektoren und Technologien wird voraussichtlich zunehmen und Anlegern mehr Möglichkeiten zur Diversifizierung ihres Portfolios bieten. Die Dynamik im Universum für nachhaltiges Investieren wird sich in den nächsten zehn oder mehr Jahren weiter beschleunigen. Es besteht ein dringender Kapitalbedarf für die Skalierung von Unternehmen und die Finanzierung von Nachhaltigkeitsprojekten. Wir gehen davon aus, dass die steigenden Zuflüsse von Anlegern das aktuelle Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage ausgleichen. Kurzum: Private Credit wird voraussichtlich eine Schlüsselrolle bei der Finanzierung der Energiewende spielen.
Private Credit, wo es gebührt
Bisher war das Interesse nachhaltigkeitsorientierter Anleger an Private Credit geringer als an Private Equity. Dadurch sind günstige Marktbedingungen für neue Investmentmöglichkeiten entstanden. Dank weltweiter regulatorischer Unterstützung steigen die Investitionen. Das motiviert Manager wie Investoren, in die Energiewende zu investieren. Die Nachfrage nach Fremdkapital steigt, je mehr Unternehmen reifen und maßgeschneiderte Finanzierungslösungen wünschen. Für nachhaltigkeitsorientierte Anleger gibt es eine robuste Pipeline an Private-Debt-Investmentmöglichkeiten: Finanzierungen für Erneuerbare-Energie-Portfolien, Projekt- und Lieferkettenfinanzierungen. Dort, wo Private Credit und die Energiewende aufeinandertreffen, entstehen attraktive Investmentmöglichkeiten. Das anhaltende Marktwachstum bietet Anlegern die Chance, ihre Allokationen in nachhaltigen Anlagen und in Private Credit zu diversifizieren.
1 McKinsey Global Institute, Stand: 29. Januar 2022.
2 Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, „Net Zero Financing Roadmaps“ (Roadmaps für Netto-Null-Finanzierungen); Stand: November 2021.
3 Bloomberg New Energy Finance. Stand: Dezember 2021.
4 Climate Impact Partners. Markers of Real Climate Action in the Fortune Global 500 (Kennzeichen realer Klimamaßnahmen der Fortune Global 500). September 2023.
5 Goldman Sachs Global Investment Research, GS Sustain. Stand: 5. Mai 2023.
6 Internal Revenue Service. Stand: 14. Dezember 2023.
7 Europäische Kommission. Stand: 13. Januar 2020.
8 Vereinte Nationen. Stand: September 2024.
9 PitchBook. Stand: Dezember 2023.
10 Nasdaq. Stand: 23. September 2022.
11 Visual Capitalist. Stand: 11. August 2017.
