Portfoliokonstruktion

Public und Private Credit: Eine chancenreiche Koexistenz

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Kay Haigh
Co-Head and Co-CIO, Fixed Income and Liquidity Solutions
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James Reynolds
Global Head of Direct Lending
Perspektiven
Dieser Artikel ist Teil unserer Perspektiven Serie
Wichtige Erkenntnisse
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Kredit-Koexistenz
Public und Private Credit können sich in Portfolien, die auf spezifische Renditeziele, Risikotoleranzen und Anlagehorizonte ausgerichtet sind, gut ergänzen.
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Ein größerer Kuchen
In letzter Zeit beobachten wir den Trend, dass mehr Unternehmen sich strategisch sowohl an den öffentlichen als auch an den privaten Kapitalmärkten finanzieren. Sie optimieren ihre Kapitalstrukturen mit ganz unterschiedlichen Finanzierungsoptionen, um Wachstum zu unterstützen und sich an die Marktlage anzupassen.
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Mehr wissen
Die Koexistenz der öffentlichen und der privaten Kreditmärkte ist ein Zeichen eines dynamischen Finanzökosystems, in dem ein differenziertes Verständnis und aktives Management unerlässlich sind. Mit strategischer Perspektive erkennen Anleger neue Realitäten und können Chancen und Resilienz bei beiden Anlageklassen gezielt identifizieren.

Die Koexistenz der Märkte für Public und Private Credit

Die Rückkehr von Renditen hat wieder Interesse an börsennotierten Anleihen geweckt. Dieser Trend zeigt sich in Zuflüssen von Pensionsfonds, die angesichts einer Verbesserung ihres Deckungsstatus Risiken abbauen wollen. Auch Privatanleger investieren, um hohe Renditen zu sichern, bevor die Zentralbanken die Zinsschraube lockern. Zu den Käufern zählen außerdem Versicherer, die ihre Allokationen in Unternehmensanleihen erhöhen und die Duration verlängern wollen. Das hat unsere 13. jährliche Versicherungsstudie ergeben. Gleichzeitig hält das signifikante Wachstum von Private Credit an. Das verwaltete Vermögen hat 2,1 Billionen USD erreicht.1 Der Markt deckt mit einer breiten Palette an Strategien das gesamte Kapitalspektrum von Unternehmensanleihen über Realwerte bis ABS-Anleihen ab.

In Portfolien, die auf spezifische Renditeziele, Risikotoleranzen und Anlagehorizonte ausgerichtet sind, können sich Public und Private Credit gut ergänzen. Beide Anlageklassen bieten Ertrags- und Diversifikationsvorteile. Börsennotierte Anleihen eignen sich aufgrund ihrer Markttiefe und Liquidität ideal für das Liquiditätsmanagement. Private Credit bietet das Potenzial für höhere Renditen, ohne dabei grundsätzlich riskanter zu sein als Konsortialkredite und Hochzinsanleihen. Darauf deuten vergleichbare Kreditverluste der Vergangenheit hin. Das liegt daran, dass die Konditionen an die spezifischen Bedürfnisse von Kreditnehmern und Kreditgebern angepasst werden. Für die Gewissheit, dass die Transaktion zustande kommt, sind Kreditnehmer außerdem bereit, einen Aufschlag zu zahlen.

Eine wichtige Kapitalquelle für mittelständische Unternehmen sind seit langem die Private-Debt-Märkte. Sie bieten oft Finanzierungslösungen, die bei traditionellen Banken nicht verfügbar sind. Die Märkte für börsennotierte Anleihen hingegen werden in der Regel von größeren, etablierten Unternehmen und Regierungen mit erheblichem Kapitalbedarf genutzt.

Aktuell beobachten wir den Trend, dass sich mehr Unternehmen strategisch sowohl an den öffentlichen als auch an den privaten Kapitalmärkten finanzieren. Sie optimieren ihre Kapitalstrukturen mit ganz unterschiedlichen Finanzierungsoptionen, um Wachstum zu unterstützen und sich an die Marktlage anzupassen. Viele Unternehmen haben 2022 und 2023 beispielsweise ihren Kapitalbedarf an den Private-Credit-Märkten gedeckt. In den letzten Monaten haben sich jedoch zahlreiche Unternehmen an den Public Markets refinanziert. Langfristig wird voraussichtlich ein Gleichgewicht entstehen. Unternehmen werden zwischen den niedrigeren Kapitalkosten an den Public Markets und den maßgeschneiderten Kapital- und Finanzierungslösungen der Private Markets wählen. Je nachdem, in welcher Phase sich ein Unternehmen befindet, kann diese Entscheidung unterschiedlich ausfallen. Diese Entwicklung wird es ermöglichen, dass die Public und die Private Markets harmonisch koexistieren und wachsen. Für Anleger entsteht ein breites Spektrum an Investmentmöglichkeiten.

Kreditnehmer wechselten zuletzt zwischen Konsortialkrediten und Private CreditKreditnehmer wechselten zuletzt zwischen Konsortialkrediten und Private Credit

Quelle: PitchBook, LCD.  Stand: 21. Mai 2024 

Status-Check: Ein Jahr nach dem Zinsgipfel

Der Zinsstraffungszyklus der US-Notenbank (Fed) endete im Juli 2023. Seither beobachten Anleger genau, wie Kreditnehmer angesichts der gestiegenen Finanzierungskosten finanzielle Notlagen vermeiden. Trotz deutlich höherer Zinsen beweisen Unternehmen eine bemerkenswerte Resilienz. Die Zahlungsausfälle und finanziellen Notlagen halten sich bisher in Grenzen. Die Ausfallquote am Direct-Lending-Markt ist im vergangenen Jahr stetig gesunken und lag im ersten Quartal 2024 bei 2,7 %. Zum Vergleich: Das Zyklushoch betrug 4,5 %.12 Gleichzeitig verzeichnete der Leveraged-Loan-Markt im Mai 2024 einen leichten Anstieg seiner 12-Monats-Ausfallquote auf 3,3 %, die nun leicht über dem langfristigen Durchschnitt von 3 % liegt.3

Diese Stärke in einem schwierigen makroökonomischen Umfeld ist dem anhaltenden Wirtschafts- und Gewinnwachstum zu verdanken, das die Fundamentaldaten von Anleihen gestärkt hat. Außerdem haben die offenen Kapitalmärkte Refinanzierungen erleichtert. PE-finanzierte Unternehmen, die einen hohen Anteil der Kreditnehmer am Markt für breit syndizierte Kredite wie auch am Private-Credit-Markt ausmachen, verzeichneten beispielsweise ein annualisiertes medianes EBITDA-Wachstum von 11 %.4 Das hat ihre Fähigkeit, ihre Schulden zu bedienen, gestärkt, obwohl die Finanzierungskosten gestiegen und die Zinsdeckungsquoten gefallen sind.

Dennoch ist es wichtig, die sinkenden Zinsdeckungsquoten und die Qualität der Kreditvergabestandards im Auge zu behalten. Da die Zentralbanken einen quantitativen Straffungskurs einschlagen, wird die Wertentwicklung börsennotierter Anleihen voraussichtlich stärker vom Konjunkturzyklus sowie geld- und fiskalpolitischen Entscheidungen beeinflusst. Auch die Fähigkeit von Unternehmen, sich an das neue Zinsumfeld und strukturelle Veränderungen wie Dekarbonisierung, alternde Bevölkerungen und geopolitische Instabilität anzupassen, dürfte eine Rolle spielen. Leitzinssenkungen können zwar für etwas Entspannung sorgen, aber sie werden voraussichtlich später beginnen und nicht so hoch ausfallen wie bisher angenommen.

Eingehende Erforschung der Daten

Trotz der insgesamt niedrigen Ausfallquoten gibt es deutliche Unterschiede unter Kreditnehmern und Krediten und sogar einzelne Fälle von Notlagen. Letztere werden häufig direkt zwischen Kreditnehmern und Kreditgebern gelöst, um proaktiv mit Problemen umzugehen und Ausfälle ganz zu vermeiden. Lösungen enthalten häufig Strategien in Form von „Payment in Kind“-Anteilen und Eigenkapitalspritzen der PE-Kapitalgeber des Kreditnehmers. Damit können Unternehmen kurzfristige Schwierigkeiten überwinden. Sie vermeiden außerdem eine kostspielige und langwierige Umschuldung, die den Geschäftsbetrieb beeinträchtigen könnte. Gleichzeitig schützen die Kapitalgeber ihre Investitionen und Beteiligungen. Für Kreditnehmer mit schwerwiegenderen Problemen bieten diese Restrukturierungen jedoch vielleicht nur eine vorübergehende Entspannung und zögern den unvermeidlichen Zahlungsausfall hinaus. Selbst in solchen Fällen können außergerichtliche Lösungen dennoch den Wiedererlangungswert erhalten und Verluste für Anleger minimieren.

Schaut man sich die Ausfallquoten insgesamt an, muss man auch auf den Anstieg bei Distressed Exchanges unter Kreditnehmern am Markt für Konsortialkredite und an den Private Markets achten. Ohne Distressed Exchanges fiel beispielsweise die 12-Monats-Ausfallquote bei Leveraged Loans im Mai 2024 von 3,3 % auf 1,25 %.5 Sogenannte Distressed Exchanges entstehen, wenn ein finanziell angeschlagenes Unternehmen Gläubigern neue Schulden, Eigenkapitalanteile oder eine Mischung aus beidem anbietet. In der Regel werden im Gegenzug die bestehenden Schulden reduziert, um einen Zahlungsausfall zu verhindern. Der resultierende Verlust für Kreditgeber ist in der Regel nicht so teuer und zeitaufwändig wie ein formelles Insolvenzverfahren. Außerdem führt es zu stabileren Recovery Rates und weniger betrieblichen Störungen für das Unternehmen. In manchen Fällen erweist sich die neue Kapitalstruktur als tragfähig, in anderen verzögert sie lediglich größere Verluste.  Die Auswirkungen von Distressed Exchanges auf die endgültigen Verluste sind daher ungewiss.

Kreditausfälle im Vergleich – ohne Distressed Exchanges verhalten Kreditausfälle im Vergleich – ohne Distressed Exchanges verhalten

Quelle: Goldman Sachs Asset Management, J.P.Morgan. Stand: 31. Mai 2024. „LTM“ bezieht sich auf die letzten zwölf Monate.

Wichtige Feinheiten

An den dynamischen Finanzmärkten von heute ist es entscheidend, die unterschiedlichen Faktoren zu verstehen, die das Investmentumfeld prägen. Zum Beispiel treten Zahlungsausfälle am Leveraged-Loan-Markt vorwiegend bei kleineren Unternehmen auf, die mit branchenspezifischen Veränderungen zu kämpfen haben. Das deutet nicht unbedingt auf Turbulenz am Gesamtmarkt hin. Aktive Anleger können durch eine kluge Einzeltitelauswahl derartige Zahlungsausfälle oft voraussehen und sich darauf einstellen, um potenzielle Risiken zu mindern.

In Verbindung mit Gewerbeimmobilien sind die Bedenken bei Krediten und verbrieften Vermögenswerten aufgrund der höheren Zinsen, Büroleerstände durch den Wechsel ins Homeoffice und Sorgen um den Zugang zu Kapital – insbesondere bei regionalen Banken – gestiegen. Dies hat jedoch nicht zu weit verbreiteten Notlagen geführt. Gewerbliche Büroimmobilien stehen weiterhin vor Herausforderungen. Bei anderen Immobilienarten ist die Kredit- und operative Entwicklung jedoch robust. Diese Vielfalt im Gewerbeimmobiliensektor bietet Anlegern in CMBS und Private Real Estate Credit durch die unterschiedlichen Performance-Profile der einzelnen Immobilienarten Chancen zur Alpha-Generierung.

Allerdings berücksichtigen historische Vergleiche nicht immer die aktuellen oder zukünftigen Marktbedingungen. Heute ist die Bonität am Markt für Hochzinsanleihen (HY) besser als in früheren Zyklen. Prozentual sind mehr Unternehmen mit BB, dem besten Rating am HY-Markt, eingestuft als vor der globalen Finanzkrise 2008. Das liegt zum Teil daran, dass schwächere Unternehmen bereits während vergangener zyklischer Abschwünge Zahlungsausfälle erlebten oder von strukturellen Veränderungen in ihren Sektoren betroffen waren. Dazu zählt beispielsweise der Aufstieg des E-Commerce, der den traditionellen Einzelhandel erheblich beeinträchtigt hat. Außerdem sind Unternehmen im HY-Markt heute generell größer, da kleinere Firmen an den Private Market abgewandert sind. Größere Unternehmen bieten oft mehr Stabilität in unsicheren Zeiten, denn ihre Größe und Reichweite wirkt wie ein Puffer gegen makroökonomische Herausforderungen. Der HY-Markt ist zudem sicherer geworden. Viele Anleihen sind jetzt durch Sicherheiten gedeckt, was das Risiko für Anleger senkt. Darüber hinaus sorgt eine breitere Anlegerbasis für mehr Liquidität und Stabilität. Fortschritte bei der Handelstechnologie haben darüber hinaus den Marktzugang und die Transparenz verbessert. Insgesamt machen diese Faktoren den HY-Markt attraktiver für Anleger, die höhere Renditen wünschen.

Im Gegensatz dazu ist die Qualität am Markt für Investment-Grade-Anleihen (IG) gegenüber früheren Zyklen gesunken. Das Segment der BBB-Ratings ist aufgrund vergangener Herabstufungen mittlerweile das größte. Viele mit BBB eingestufte Unternehmen bemühen sich jedoch, ihren IG-Status zu erhalten. Oft beweisen sie mehr Finanzdisziplin sowie weniger ungünstiges Kreditverhalten auf als manches Unternehmen mit A-Rating. Anleger können dadurch von höheren Spreads profitieren, die durch robuste Fundamentaldaten gestützt werden.

Diese Nuancen zu erkennen ist entscheidend, um fundierte Anlageentscheidungen zu treffen und die Ergebnisse dieser Entscheidungen zu verstehen. Oft findet man in Details und den ihnen zugrunde liegenden Trends den Schlüssel zu einer präziseren Bewertung der Marktentwicklung und der finanziellen Gesundheit.

Mit aktivem Management strukturelle und zyklische Chancen identifizieren

Asset Manager, die eine präzise Titelauswahl mit tiefgehender Expertise und Größe kombinieren, sind strategisch gut aufgestellt, um einzigartige strukturelle und zyklische Investmentchancen zu erkennen. Gleichzeitig können sie potenzielle finanzielle Notlagen vermeiden.

Das erfordert einen erneuten Fokus auf hochwertige Anleihen und die stärkere Nutzung von Chancen bei Green und Social Bonds, die von Unternehmen und Regierungen in Schwellenländern ausgegeben werden. Ihr Risiko-Rendite-Profil ähnelt dem herkömmlicher Anleihen derselben Emittenten. Sie zeichnen sich aber dadurch aus, dass die Gelder für Umwelt- oder Sozialprojekte verwendet werden. Um Saubere-Energie-Ziele zu erreichen, müssen die Investitionen in den Schwellenländern von 770 Mrd. USD im Jahr 2023 auf jährlich 2,2 bis 2,8 Billionen Dollar bis in die 2030er Jahre steigen.6 Private Investoren spielen eine entscheidende Rolle bei der Bereitstellung dieses Kapitals. Allerdings fließt derzeit nur ein Bruchteil der 2,5 Billionen Dollar in ESG-Fonds in die Schwellenländer. Es besteht also ein enormes Wachstumspotenzial. Je reifer und diversifizierter der Markt wird, desto mehr unterschiedliche Anleger zieht er eventuell an. Dazu können auch solche zählen, die ihre bestehenden Schwellenländeranleihen-Portfolien diversifizieren oder ihren ESG-Anlagen in Industrieländern etwas beimischen möchten.

Private Credit bietet aktiven Managern die Möglichkeit, über komplexe strukturierte Lösungen strategisch in solide Unternehmen zu investieren, die mit vorübergehenden Herausforderungen konfrontiert sind. Davon profitieren besonders Unternehmen, deren Bilanzen nicht optimal an das aktuelle Zinsumfeld angepasst sind. Sie benötigen daher strukturierte Finanzierungen wie beispielsweise hybrides Kapital. Private Kreditgeber können das notwendige Kapital bereitstellen, um Wertsteigerungen zu erzielen. Sie entwickeln maßgeschneiderte Lösungen für die spezifischen Bedürfnisse von Unternehmen und Anlegern, die Elemente von Fremd- und Eigenkapital kombinieren.

Mit diesem Ansatz profitieren Kreditgeber, wenn der Wert des Eigenkapitals steigt. Dadurch verbessert sich auch die Gesamtrendite. Gleichzeitig erzielen sie weiter Erträge und behalten ihre vorrangige Position in der Kapitalstruktur verglichen mit reinen Beteiligungen. Dank der flexiblen und maßgeschneiderten Finanzierungslösungen an den Private Markets erhalten Kreditgeber höhere Renditen und mehr Schutz. Gleichzeitig bieten sie Kreditnehmern die Möglichkeit, ihre Kreditkosten gegen eine Beteiligung zu senken.

Die Koexistenz der öffentlichen und der privaten Anleihemärkte kann als Zeichen eines dynamischen Finanzökosystems gedeutet werden, in dem ein differenziertes Verständnis und aktives Management unerlässlich sind. Mit strategischer Perspektive erkennen Anleger neue Realitäten und können Chancen und Resilienz bei beiden Anlageklassen gezielt identifizieren.

1. Preqin. Stand: September 2023. Enthält auf Unternehmensanleihen, Immobilien und Infrastruktur ausgerichtete Private-Credit-Strategien ohne Dachfonds.
2. Lincoln Senior Debt Index. Stand: Q1 2024.
3. Goldman Sachs Asset Management, J.P.Morgan. Stand: 31. Mai 2024.
4. Burgiss, Stand: Q4 2023.
5. Goldman Sachs Asset Management, J.P.Morgan. Stand: 31. Mai 2024.
6. Internationale Energieagentur (IEA), Scaling Up Private Finance for Clean Energy in Emerging and Developing Economies (Private Finanzierungen für saubere Energie in Schwellen- und Entwicklungsländern hochskalieren). Stand: Juni 2023.

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