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Gewerbeimmobilien: In den Gegenwind

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Jim Garman
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Ben Johnson
Global Head of Credit, Fixed Income and Liquidity Solutions
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Marco Willner
Co-Head of Dynamic Asset Allocation, Multi-Asset Solutions
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Jeff Fine
Global Co-Head of Alternatives Capital Formation
Perspektiven
Dieser Artikel ist Teil unserer Perspektiven Serie
Wichtige Erkenntnisse
1
Verschärfte Kreditbedingungen, Druck auf die Gewinne und höherer Refinanzierungsbedarf werden dem Gewerbeimmobilienmarkt in den nächsten zwei Jahren Gegenwind bescheren.
2
Trotz akuter Risiken für Büroimmobilienbesitzer sind Gewerbeimmobilien in den USA eine vielschichtige Anlageklasse, in der es hier und da robuste Chancen gibt.
3
Anleger, die ihre Portfolien schützen und Chancen nutzen wollen, müssen mehrere kurzfristige Risiken und potenzielle Dominoeffekte auf die Weltwirtschaft beachten.

Gewerbeimmobilien, die drittgrößte Anlageklasse nach Anleihen und Aktien, stehen unter Druck. Die US-Notenbank (Fed) und andere große Zentralbanken haben im vergangenen Jahr aggressiv an der Zinsschraube gedreht. Das hat Besorgnis über die möglichen Auswirkungen auf den Sektor geschürt, der stark auf Fremdkapital und Bankfinanzierungen angewiesen ist. Hinzu kam jüngster Stress bei US-Regionalbanken, einem wichtigen Kreditgeber für Eigentümer, wodurch sich die Finanzierungsbedingungen noch verschärfen können.

Vor den größten Herausforderungen steht der Büromarkt, wo mehrere prominente Kreditausfälle für Schlagzeilen sorgten.1 Eigentümer von Bürogebäuden sind mit strukturellem Wandel konfrontiert, da sich die Art und Weise, wie wir arbeiten, seit der Pandemie grundlegend geändert hat. Mehr Menschen arbeiten im Homeoffice oder nach hybriden Arbeitsmodellen, sodass viele Unternehmen ihre Büroflächen reduzieren. In den USA hat das zu einem stetigen Anstieg der Leerstandsquoten bei Bürogebäuden geführt, insbesondere in den Innenstädten. Für ältere Gebäude, die keine moderne Ausstattung und Nachhaltigkeitszertifizierungen haben, ist es besonders schwer, Mieter zu finden.

Für andere Segmente des Gewerbeimmobilienmarkts ist der Ausblick jedoch weniger düster. Industrieimmobilien wie Lagerhäuser und Logistikzentren verzeichneten in den letzten Jahren die stärksten Mietanstiege des Sektors. Das Wachstum ihrer Nettobetriebsgewinne wird sich jedoch möglicherweise verlangsamen, wenn die Wirtschaft abkühlt. Trotz der aktuellen Herausforderungen gibt es noch immer Resilienz im Gewerbeimmobiliensektor, nicht zuletzt dank seiner Vielfalt. In diesem Artikel schauen wir uns den Gegenwind an, dem der US-Gewerbeimmobilienmarkt ausgesetzt ist. Wir betrachten, wo Chancen liegen können, und diskutieren wichtige Faktoren für Anlageentscheidungen.

Steigender Stress

Mehrere Faktoren sorgen für Druck auf Gewerbeimmobilien: stark gestiegene Zinsen, höhere Kosten und niedrigere operative Margen, fallende Gewinne, strengere Finanzierungsbedingungen und in den nächsten 18 Monaten fällig werdende Kredite. Dadurch sind die Immobilienbewertungen gesunken. Die Wertentwicklung der einzelnen Gewerbeimmobiliensektoren ist unterschiedlich, das akuteste Problem ist jedoch das Überangebot an Bürogebäuden.

Zinssensitivität

In den letzten Jahren sind variabel verzinsliche Kredite für den US-Gewerbeimmobiliensektor immer wichtiger, aber nach den Leitzinserhöhungen auch teurer geworden. Bei den meisten Hypotheken im Wohnimmobiliensektor hingegen sind die Zinsen für 30 Jahre festgeschrieben. Kreditgeber verlangen für variabel verzinsliche Darlehen häufig Zinsobergrenzen, die an einen Referenzzinssatz wie den Secured Overnight Financing Rate (SOFR) gekoppelt sind. Dennoch sind Kreditnehmer bis zu diesem Ausübungssatz einem Zinsänderungsrisiko ausgesetzt. Außerdem hat die Zinsabsicherung variabel verzinslicher Kredite in der Regel eine kürzere Laufzeit als der Kredit selbst. Diese Absicherungen müssen dann neu aufgesetzt werden, wodurch Kreditnehmer eventuell hohe Kosten zahlen oder sich in der aktuell angespannten Lage refinanzieren müssen.

Der Anteil variabler Zins-Kredite in CMBS-Portfolien ist in den letzten Jahren gestiegen.Variable Zins-Kredite

Quelle: Trepp, Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 10. April 2023.

Refinanzierungsbedarf

Für Stress in diesem Sektor sorgt auch der Refinanzierungsbedarf von Gewerbeimmobilieneigentümern. Bis Ende 2024 werden laut Goldman Sachs Global Investment Research fast 1,1 Billionen USD an gewerblichen Hypothekendarlehen fällig. In der Regel ist dann eine sehr hohe Schlusstilgungsrate zu zahlen, die viele Kreditnehmer zu höheren Zinssätzen refinanzieren müssen – sofern die Fed in der Zeit keine Zinswende beschließt.

Erhöhter Refinanzierungsbedarf in den nächsten zwei Jahren Refinanzierungsbedarf

Quellen: RCA, Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 10. April 2023.

Verschärfte Kreditbedingungen

Bei kleinen US-Banken – den Hauptkreditgebern für Gewerbeimmobilien – sind die Einlagen seit Januar 2023 um fast 250 Mrd. USD gesunken. Bei einigen Banken wird das zu einem Rückgang der Kreditvergabe führen, unter anderem auch für Gewerbeimmobilien. Der Markt für verbriefte Kredite hat sich ebenfalls verlangsamt, und die Neuemissionen von durch Gewerbeimmobilien besicherten Hypothekenanleihen (CMBS) sind stark zurückgegangen. Das Angebot an Conduit-CMBS seit Jahresbeginn ist 72 % niedriger als in der Vorjahresperiode 2022. Sogenannte „Single-Asset/Single Borrower“- oder SASB-CMBS sind um 85 % und aus Gewerbeimmobilien bestehende CLOs um 92 % zurückgegangen.2

Fallende Gewinne

Sinkendes Mietwachstum, höhere Arbeits- und Materialkosten sowie steigende Leerstandsquoten in einigen Sektoren setzen die Nettobetriebsgewinne unter Druck. Das ist der vierte Stressfaktor für Gewerbeimmobilien. Besonders akut ist dieses Problem im Bürosektor. Industrie- und andere Immobilien hingegen profitieren von einer günstigeren Dynamik der Fundamentaldaten. Insgesamt ist das Risiko eines Zahlungsschocks2 bei den Verbindlichkeiten von Kreditnehmern im Gewerbeimmobiliensektor höher als bei Haushalten und Nichtfinanzunternehmen.

Der Bürosektor leidet langfristig unter einer unsicheren Nachfrage, da mobiles und hybrides Arbeiten bei Arbeitnehmern immer noch beliebt sind. Insgesamt ist die Auslastung von Büros in den USA um 51 % niedriger als vor der Pandemie. Außerdem bevorzugen Mieter neuere Gebäude mit moderner Ausstattung und Nachhaltigkeitszertifizierungen. Mehr als zwei Drittel der US-Büros wurden vor 1990 gebaut. Erforderliche Umnutzungskosten und Investitionsausgaben belasten die Betriebsgewinne zumindest kurzfristig.

Bei Büros sind die Auslastungsquoten stärker gefallen als bei anderen Immobilien.Rückgang der Auslastungsquoten

Quelle: CoStar, Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 10. April 2023.

Quellen der Resilienz

Bonität

In den letzten zwanzig Jahren wurden die Kreditrichtlinien verschärft. Heute ist die Kreditqualität von Gewerbeimmobilienkrediten daher wahrscheinlich besser als vor der „Savings & Loan“-Krise der 1980er und 1990er Jahre sowie der globalen Finanzkrise von 2007–2008. Viele Kredite, die in den nächsten Jahren fällig werden, wurden mit einer Beleihungsquote von 50 % bis 65 % gewährt.3 Dank dieses Eigenkapitalpolsters leiden unter den niedrigeren Bewertungen eher Private-Equity-Investoren als Inhaber von Gewerbeimmobilienkredite wie Banken, Versicherungen und CMBS-Anleger.

Gewerbeimmobilien sind ein sehr vielfältiger Sektor, der von Büroflächen in Großstädten bis hin zu Rechenzentren und Industrielagerflächen in ländlichen Gebieten reicht. Der Bürosektor steht, wie bereits erwähnt, vor Herausforderungen, macht aber weniger als ein Drittel aller Gewerbeimmobilien aus. Anderswo sind die Fundamentaldaten ermutigender. Die Mieten für Mehrfamilienhäuser sind zum Beispiel gesunken, aber das starke Gewinnwachstum von Mietwohnungsanlagen in den letzten beiden Jahren macht Zahlungsausfälle unwahrscheinlicher. Industrieimmobilien wie Lagerflächen und Logistikanlagen verzeichneten in den letzten Jahren ein starkes Mietwachstum. Der Sektor ist jedoch zyklisch, sodass sich das Gewinnwachstum eventuell verlangsamt, wenn die Wirtschaft abkühlt.

Der stationäre Handel leidet seit Jahren unter dem Aufstieg des E-Commerce, der im vierten Quartal 2022 14,7 % der gesamten US-Einzelhandelsumsätze ausmachte. Dieser Anteil liegt unter dem Rekordniveau zu Beginn der Pandemie, aber immer noch deutlich über dem Stand von 5,4 % im gleichen Zeitraum vor einem Jahrzehnt.4 Dennoch kam es zu einem Ausfallzyklus, der hauptsächlich regionale Einkaufszentren betraf. Die Hotelbranche wurde während der Pandemie durch Lockdown-Maßnahmen stark eingeschränkt. Business-Hotels haben sich immer noch nicht vollständig erholt, aber auf Freizeitreisen spezialisierte Hotels konnten von einer kontinuierlichen Rückkehr der Nachfrage profitieren.

Alles in allem hielt die fundamental starke Kreditqualität die Ausfallquoten bei Gewerbeimmobilien in Schach. Angesichts der im letzten Jahr deutlich gestiegenen Zinsen und des langsameren Wirtschaftswachstums rechnen wir jedoch mit einem Aufwärtstrend der aktuell niedrigen Ausfallquoten. Voraussichtlich wird davon in erster Linie der Bürosektor betroffen sein, während andere Sektoren relativ robust bleiben.

Verlustquoten

Die Erfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte zeigen, dass sich die Verluste bei Gewerbeimmobilienkrediten normalerweise über einen Zeitraum von mehreren Jahren materialisieren. Darauf können Investoren sich einstellen. Das Risiko weit verbreiteter Ausfälle in naher Zukunft ist daher geringer. Selbst nach einer Rezession steigen die Verlustquoten in der Regel erst nach fünf bis sieben Jahren. Das hat mehrere Gründe. Erstens dauert es nach einem Ausfall, d. h., wenn ein Kreditnehmer aufhört, seine Schulden zurückzuzahlen, oft lange, bis die Sicherheiten verwertet werden. Zweitens sind Kreditnehmer und Kreditgeber motiviert, Kredite zu verlängern und die Konditionen zu ändern, wodurch potenzielle Verluste hinausgezögert werden. Außerdem erstrecken sich Kreditlaufzeiten und Immobilienmieten über mehrere Jahre. Die Wahrscheinlichkeit ist begrenzt, dass gleichzeitig eine große Anzahl von Mietverträgen ausläuft (nicht verlängert wird) und sehr viele Kredite fällig werden (oder zu höheren Zinssätzen refinanziert werden). Im Bürosektor sind beispielsweise mehrjährige Mietverträge üblich. Unternehmen können normalerweise nicht vorzeitig kündigen, nur weil mehr Mitarbeitende im Homeoffice arbeiten.

Selbst wenn die Ausfallquoten bei Gewerbeimmobilienkrediten wieder auf das Niveau der globalen Finanzkrise steigen, können US-Regionalbanken und der Finanzsektor insgesamt die Verluste auffangen, sofern die US-Wirtschaft robust bleibt. Von einem derartigen Anstieg der Ausfallquoten gehen wir in unserem Basisszenario aber nicht aus. Unserer Bottom-up-Analyse zufolge dürften die Verluste für US-Banken insgesamt weniger als 10 % des aktuellen Tier-1-Kapitals ausmachen und über vier Jahre entstehen.

Die Verluste für Banken werden voraussichtlich verkraftbar sein, wenn die US-Wirtschaft robust bleibt.Verluste für Banken

Quelle: Federal Reserve, Autonomous und Multi-Asset Solutions Goldman Sachs Asset Management. Stand: 31. März 2023.

Investmentmöglichkeiten

Private Credit

Für Private-Credit-Investoren eröffnen sich sofortige Investitionsmöglichkeiten durch die rund 1,1 Billionen USD an Gewerbeimmobilienkrediten, die bis Ende 2024 fällig werden. Trotz steigender Nachfrage ist das Angebot an Krediten von traditionellen Kreditgebern und Anbietern öffentlicher Finanzierungsmöglichkeiten aufgrund der höheren Volatilität und Unsicherheit deutlich zurückgegangen. Da sich die öffentlichen Märkte zurückgezogen haben, hat die daraus resultierende Verschiebung von Angebot und Nachfrage privaten Kreditgebern die Möglichkeit gegeben, höhere und günstigere strukturelle Schutzmaßnahmen mit den Kreditnehmern auszuhandeln sowie qualitativ hochwertige Vermögenswerte zu finanzieren, die zuvor von den öffentlichen Märkten kapitalisiert worden wären. Durch Finanzierungslücken zwischen den aktuellen Schuldenständen und der Refinanzierungsbereitschaft von Kreditgebern entstehen Chancen bei strukturierten Finanzierungen. Eigentümer sind immer bemüht, am Aufwärtspotenzial von nicht notleidenden Immobilien zu partizipieren.

Verbriefte Kredite

CMBS bestehen in der Regel aus einem Pool von festverzinslichen Darlehen mit Laufzeiten von 5 bis 10 Jahren, die verbrieft und auf dem Sekundärmarkt verkauft werden. Der Markt für privat platzierte CMBS belief sich Ende 2022 insgesamt auf 729 Mrd. USD. Davon machten Conduit-CMBS etwa die Hälfte aus.5 Auch SASB-Conduit-Darlehen bieten eine Möglichkeit, in Gewerbeimmobilien zu investieren. Es handelt sich dabei um ein großes Darlehen für eine Immobilie, das verbrieft und auf dem Sekundärmarkt verkauft wird. SASB-CMBS machten Ende 2022 ein Drittel des Marktes aus. Der Rest entfiel auf Collateralized Loan Obligations (CLO). Der Bürosektor machte 28 % der Conduit-CMBS, 24 % der SASB-CMBS und 15 % der Gewerbeimmobilien-CLO aus. Die Basisdarlehen in Gewerbeimmobilien-CLO sind in der Regel variabel verzinslich und finanzieren Immobilien, die sich in einem Veränderungsprozess befinden. Das können beispielsweise Mehrfamilienimmobilien sein, die zur Wertstabilisierung renoviert oder neu vermietet werden. Für diese Immobilien ist meist ein aktiveres Management erforderlich, da Darlehen während eines bestimmten Wiederanlagezeitraums hinzugefügt oder entfernt werden können. Manager von Gewerbeimmobilien-CLO kennen die Basisimmobilien normalerweise gut.

Viele Kreditnehmer im Gewerbeimmobiliensektor werden ihre bestehenden Darlehen verlängern und die Konditionen ändern, um Stress zu vermeiden. Wir begrüßen es, dass sich die Bonität bei CMBS seit der globalen Finanzkrise verbessert hat. Zu verdanken ist das der Verschärfung der Kreditrichtlinien, dem strengeren regulatorischen Umfeld, das Anforderungen an den Risikoselbstbehalt für die Emittenten von CMBS und mit ihnen verbundene Parteien festgelegt hat, niedrigeren Beleihungsquoten und höheren Zinsdeckungsquoten. Der Druck auf die Nettobetriebsgewinne hält jedoch an und vermindert eventuell die Bereitschaft bzw. die Fähigkeit von Kreditnehmern, bestehende Darlehen zu refinanzieren oder zu verlängern. Das betrifft insbesondere die bereits unter Druck stehenden Segmente des Gewerbeimmobilienmarktes wie Büros der unteren und mittleren Preisklasse sowie Einzelhandelsimmobilien. Daher bevorzugen wir vorrangig besicherte Kredite und hochwertige Immobilien. Das Transaktionsvolumen bei CMBS wird voraussichtlich insgesamt gedämpft bleiben. Vereinzelt wird es jedoch auch Stresssituationen geben. Die besseren Kreditstandards seit der globalen Finanzkrise und die Möglichkeiten, die Kreditkonditionen anzupassen, werden jedoch Ausstrahlungseffekte des angeschlagenen Bürosektors auf den Gesamtmarkt begrenzen.

Unternehmensanleihen

Banken gehören zu den größten Inhabern von US-Gewerbeimmobilienkrediten. Verständlicherweise sorgen sich Investoren insbesondere bei Regionalbanken über mögliche Verluste im Zusammenhang mit diesen Krediten. Banken geben normalerweise nicht preis, in welche Arten von Gewerbeimmobilien ihre Portfolien investiert sind. Auf die Bedenken von Investoren hin veröffentlichten viele jedoch in ihren Gewinnmeldungen für das erste Quartal 2023 mehr Details. Bestimmte Regionalbanken sind möglicherweise einem höheren Verlustrisiko (insbesondere im Bürosektor) ausgesetzt. Aufgrund der besseren Fundamentaldaten bei anderen Gewerbeimmobilien und der starken Kapitalausstattung größerer Banken halten wir das Risiko breiter Verluste jedoch für begrenzt. Beruhigend ist auch, dass alle Banken Zugang zu den Finanzierungsmöglichkeiten der US-Notenbank haben, die aber zuletzt weniger genutzt wurden.

Banken besitzen mehr als die Hälfte der GewerbeimmobilienkrediteGewerbeimmobilien in den Portfolien von Banken

Quelle: Federal Reserve, Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 10. April 2023.

Wir wissen, dass erneuter Stress im Bankensektor möglich ist. Durch die massive Intervention der US-Notenbank kann das Ansteckungsrisiko jedoch begrenzt werden.  Nichtsdestotrotz beobachten wir nicht nur die Auswirkungen der sich verlangsamenden Wirtschaft genau, sondern auch wie sich die steigenden Einlagezinsen auf die Rentabilität der Banken auswirken.6 Während des letzten US-Straffungszyklus war der Anstieg der Einlagezinsen im Verhältnis zum Anstieg der Leitzinsen – auch Einlagen-Beta genannt – moderat. Heute sind die Einlagezinsen zwar noch niedrig, steigen aber schneller als im letzten Zyklus. Dies spiegelt wahrscheinlich das Tempo und das Ausmaß des Straffungszyklus wider, wodurch kurzlaufende Geldinstrumente und andere verzinsliche Vermögenswerte attraktiver als Einlagen wurden. Dass Einlagen mit einer Smartphone-App schnell und einfach bewegt werden können, hat wahrscheinlich ebenfalls zu einem härteren Wettbewerb der Banken um diese Gelder beigetragen. Insgesamt könnte ein unerwartet starker Anstieg der Einlagen-Betas die Rentabilität von Banken beeinträchtigen. Durch höhere Einlagezinsen verringert sich die Spanne zwischen Zinsaufwendungen und Zinserträgen. Diese Dynamik ist ein entscheidender Faktor, um den Ausblick für den Sektor bewerten zu können.

Real Estate Investment Trusts

Marktverwerfungen haben zu einer breiteren Renditestreuung unter den verschiedenen Immobilienarten geführt. Börsennotierte REITs werden zu historischen Abschlägen gegenüber den Bewertungen an den Private Markets gehandelt. Während die vollständigen Auswirkungen des US-Bankenstresses auf den Immobilienmarkt noch ungewiss sind, glauben wir dass weiterhin einige isolierte Chancen für Investoren bestehen, um in REIT-Sektoren zu investiren. Starke Fundamentaldaten, die von langfristigen Trends gestützt werden sowie bestehende Bewertungsabschläge bieten attraktive Einstiegsmöglichkeiten.

Das Life-Sciences-Bürosegment beispielsweise ist von den Trends zum Homeoffice weniger betroffen, weil Wissenschaftler bei der Forschung und Entwicklung neuer Medikamente in Person zusammenarbeiten müssen. Aufgrund der höheren Finanzierungskosten haben sich weniger Life-Science-Unternehmen mit Risikokapital finanziert und folglich auch weniger Flächen als in den letzten beiden Jahren genutzt. Dennoch rechnen wir mit weiterhin relativ stabilen Mieten an den wichtigsten Life-Science-Standorten. Mobilfunkmasten und Rechenzentren sind ebenfalls gut aufgestellt und profitieren von der Digitalisierung in vielen Wirtschaftsbereichen. Die Nachfrage nach Breitbandanschlüssen und Cloud-Datenspeicherung steigt ebenfalls. Der Zugang zu diesen Immobilien erfolgt hauptsächlich über Public Markets. Mehr als 90 % der Mobilfunkmasten in den USA gehören z. B. börsennotierten Tower-REITs. Die Einführung von 5G und KI-Anwendungen sowie das Internet der Dinge (IoT) sorgen für enormen Rückenwind bei diesen Immobilien, die auch von hohen Markteintrittsschranken profitieren.

In Bezug auf das Mietwachstum im Industriesektor sind wir für das nächste Jahr weiter optimistisch, vor allem in Gateway-Märkten. Wir rechnen mit anhaltend starker Nachfrage nach Industrieimmobilien. Dazu werden die zunehmende Penetration des E-Commerce und eine Flächenknappheit bei Logistikimmobilien in vielen der wichtigsten Distributionszentren beitragen.

Nicht alle Sektoren börsennotierter REITs werden jedoch von der zunehmenden strukturellen Nachfrage profitieren. Im Gegensatz zu den oben genannten Sektoren werden REITs, welche Standard-Bürogebäude ohne moderne oder Spezialausstattung besitzen, stärker unter der langfristig sinkenden Nachfrage sowie schwierigen Refinanzierungen leiden, die durch die Disruption hervorgerufen wird.

Was wir beobachten

Kreditvergabe durch Nichtbanken und Ausstrahlungseffekte auf die Gesamtwirtschaft

Seit fast zwei Jahrzehnten gewähren Nichtbanken wie Hedgefonds, Pensionsfonds und Versicherungsunternehmen mehr Kredite an Unternehmen als Banken. Ende des vierten Quartals 2022 waren etwa 40 % aller Kredite an nicht börsennotierte Unternehmen Bankkredite. Am höchsten war dieser Anteil 1983 mit 70%.7 Wenn man davon ausgeht, dass Verluste bei Gewerbeimmobilienkrediten nur zu einer Verschärfung der Kreditrichtlinien bei Banken führen, dürfte der Einfluss auf die US-Wirtschaft begrenzt sein und eine Rezession vermieden werden. Die Auswirkungen, die eine strengere Kreditvergabe bei Nichtbanken verursacht, sollten aufgrund deren gestiegener Bedeutung jedoch auch berücksichtigt werden. Gewerbeimmobilienkredite machen etwa 11% der Investments von Versicherungsunternehmen aus.8 Verluste aus diesen Krediten könnten gemessen am Eigenkapital beträchtlich sein und dazu führen, dass Versicherer anderswo weniger investieren. In einem pessimistischen Szenario, bei dem Stress im Gewerbeimmobiliensektor auch zu verschärften Kreditrichtlinien bei Nichtbanken führt, halten wir eine Rezession für sehr wahrscheinlich. Wir beobachten daher weiterhin die Ausstrahlungseffekte strengerer Kreditstandards bei Gewerbeimmobilien auf die Gesamtwirtschaft und verfolgen Stressdaten für den gesamten Finanzsektor. Außerdem betrachten wir Daten zur Finanzlage, zu den Konsumausgaben und zum Konsumklima.

Am Gewerbeimmobilienmarkt braut sich Gegenwind zusammen. Das schwierige Umfeld wird auch im kommenden Jahr bestehen bleiben. Am meisten wird voraussichtlich der Bürosektor unter Druck stehen. Allerdings sind Gewerbeimmobilien eine vielschichtige Anlageklasse. Nicht alle Immobilien sind gleich und einige Segmente sind für ein schwieriges Umfeld besser aufgestellt als andere. Um Portfolien zu schützen und Chancen zu nutzen, sollten Anleger kurzfristige Risiken überwachen und resiliente Anlagechancen nutzen, wenn diese sich bieten.

 

1Goldman Sachs Global Investment Research: Guide to CRE Office Debt: Mapping exposures and analyzing property performance (Leitfaden für Gewerbeimmobilienkredite im Bürosektor: Eine Analyse von Risiken und Wertentwicklung). Stand: 17. April 2023.

2Goldman Sachs Global Investment Research. CRE: Will This Time Be Different?“ (Gewerbeimmobilien: Wird es dieses Mal anders sein?). Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 10. April 2023.

3CMBS Weekly: Deconstructing and Demystifying US CRE Exposure“ (Aufschlüsselung und Entmystifizierung von Anlagen in US-Gewerbeimmobilien), BofA Global Research. Stand: 21. April 2023.

„Quarterly Retail E-Commerce Sales, 4th Quarter 2012“ (Vierteljährliche E-Commerce-Einzelhandelsumsätze, 4. Quartal 2012), Pressemitteilung des U.S. Census Bureau. Stand: 15. Februar 2013.

„CMBS Weekly: Deconstructing and Demystifying US CRE Exposure“ (Aufschlüsselung und Entmystifizierung von Anlagen in US-Gewerbeimmobilien), BofA Global Research. Stand: 21. April 2023.

Goldman Sachs Global Investment Research, „Global Economics Analyst: The Lending and Growth Hit From Higher Deposit Rates“ (Die negativen Auswirkungen höherer Einlagezinsen auf die Kreditvergabe und das Wachstum). Stand: 5. April 2023.

7Goldman Sachs Global Investment Research, „US Economics Analyst: Small Banks, Small Business, and the Geography of Lending“ (Kleine Banken, kleine Unternehmen und die Geografie der Kreditvergabe). Stand: 10. April 2023.

8U.S. Federal Reserve, Autonomous und Goldman Sachs Asset Management Multi-Asset Solutions. Stand: 31. März 2023.

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