Das Unerwartete erwarten: Toolkits für das Tail-Risk-Hedging
Anleger sehen sich in der zweiten Jahreshälfte 2024 verschiedenen Risiken gegenüber. Wichtige Treiber von Left-Tail-Risiken – extremen Verlustrisiken – sind Volatilität bei Zinssätzen, die Eskalation geopolitischer Konflikte und Wahlen. Wir sind überzeugt, dass ausbalancierte Portfolios aus Aktien, Anleihen und alternativen Anlagen das Potenzial haben, Anleger durch turbulente Zeiten zu führen. Neben einer diversen Mischung aus Anlagen kann ein Verständnis für Hedging-Strategien – einschließlich Methoden für ihren Einsatz und des richtigen Zeitpunkts dafür – die Resilienz von Portfolios erhöhen und Anlegern helfen, sich auf unerwartete Ereignisse vorzubereiten.
Um die Vorteile verschiedener Hedging-Strategien für die Portfoliokonstruktion zu bewerten, sollte zuerst ein Verständnis für die verschiedenen Ansätze und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Tail-Risk-Minderung vorhanden sein. Anleger können Ansätze für das Tail-Risk-Hedging grob in drei Kategorien einordnen:
Direktes Hedging
Die meisten direkten Hedging-Strategien konzentrieren sich auf eine Senkung der Portfolioexposition, indem derivatbasierte Overlays für Risikoanlagen eingesetzt werden (z. B. der Kauf von Aktien- oder Rohstoffoptionen, Kreditabsicherung). Diese Strategien weisen traditionell eine stark negative Korrelation mit Risikoanlagen auf, sodass Portfolios während starker Abwärtsbewegungen abgeschirmt werden. Allerdings sind sie kostspielig und tendieren dazu, die Upside-Capture eines Portfolios zu beeinträchtigen. Viele Anleger sind bereit, Geld für eine „Versicherung“ zu opfern, könnten aber von den kumulierten Kosten für den strukturierten Einsatz direkten Hedgings und potenziell höheren Aufschlägen im Laufe der Marktentwicklung überrascht werden. Angesichts dieser Überlegungen denken wir, dass direkte Hedging-Strategien am besten als einmalige, taktische Hedging-Maßnahmen für bestimmte Risiken über einen festgelegten Zeitraum hinweg eingesetzt werden sollten.
Indirektes Hedging / Diversifizierende Makro-Strategien
Indirektes Hedging bzw. diversifizierende Makro-Strategien sind tendenziell effektive strukturelle Hedging-Maßnahmen bei der langfristigen Portfoliokonstruktion. Anders als beim direkten Hedging, bei denen Positionen in Instrumenten direkt mit Risiken verknüpft werden, profitiert indirektes Hedging von Veränderungen in der Korrelation von Risikoanlagen unter verschiedenen Marktbedingungen (z. B. gering unter normalen Marktbedingungen, negativ in wirtschaftlichen Schwächephasen). Dadurch wird eine Upside-Capture zu niedrigeren Kosten beibehalten. Dabei kann es sich um systematische, regelbasierte Strategien handeln statt um Ermessensentscheidungen. Solche Ansätze sind unter anderem der Einsatz von Derivaten, um von der Kurve oder Konvexität in der Beziehung zwischen den Kursen von US-Staatsanleihen und Zinssätzen zu profitieren, oder asymmetrische Methoden zum Hedging des Währungsrisikos, um das Risiko durch Wachstum oder geopolitische Schocks abzudecken.
Alternative Hedging-Strategien mit spezifischen Rendite-, Korrelations-, Carry- und Kostenprofilen
Alternative Strategien können zusätzliche Quellen für nicht korrelierte Renditen ermöglichen. Beispielsweise verwenden trendorientierte Modelle technische Indikatoren, um das Portfoliorisiko systematisch zu modulieren, basierend auf nachhaltigen Upside- oder Downside-Mustern und ohne menschliche Voreingenommenheit. Trendorientierte Manager profitierten vom koordinierten Anstieg der Zinssätze im Jahr 2022 und erzielten eine ihrer stärksten Jahresrenditen in der Geschichte.1 Allerdings können Renditen während Zeiträumen der Seitwärtsbewegung verloren gehen und Strategien können Schwierigkeiten dabei haben, plötzliche Gegenbewegungen einzufangen.
Dem nächsten Tail-Risk den Stachel ziehen
Nach der schnellen Erhöhung der Zinssätze in den meisten Industrieländern könnten die verzögerten Auswirkungen des geldpolitischen Wechsels schwer vorherzusagen sein. Left-Tail-Ereignisse können dabei schnell und ohne Vorwarnung auftreten. Unser Ansicht nach können Anleger die graduelle Neueinführung langfristiger indirekter Tail-Risk-Hedging-Strategien erwägen, während das Ende des Zinserhöhungszyklus näher rückt. Der potenzielle Portfolioballast durch Staatsanleihen bei einem schweren Wachstumsschock ist erhöht. Schließlich haben die Zinssätze ihre Höchststände seit der weltweiten Finanzkrise erreicht. Nun, da die Volatilität der Zinssätze nachlässt und die Korrelationen zwischen verschiedenen Anlageklassen sich wieder ihren langfristigen Beziehungen annähern, sind Long-Strategien für Zinssatzoptionen als strukturierte Hedging-Maßnahme für Portfolios wieder attraktiver geworden.
Anleger können ihre Portfoliodiversifikation durch alternative Hedging-Strategien wie Trend-Following weiter erhöhen. Diese Strategien haben Diversifikationspotenzial, da sie auf verschiedenen Anlageklassen beruhen und Long- und Short-Positionen eröffnen können. Die Strategie kann während Wendepunkten am Markt vor Herausforderungen stehen. Ihre dynamische Fähigkeit zu Positionsänderungen bietet jedoch Konvexität, insbesondere während Abwärtsbewegungen. Es ist auch wichtig, verschiedene Trendbeobachtungsfenster miteinander zu verbinden und Konvexität mit langfristigen Renditebeiträgen auszubalancieren.
Während die kurzfristigen makroökonomischen Daten weiterhin die Markterwartungen und die Korrelationen zwischen Anlageklassen verändern, können Anleger auch die potenziellen Vorteile taktischer Engagements in direkte Hedges berücksichtigen. Diese konzentrieren sich auf spezifische, zeitbasierte Tail-Risiken. Eine Kopplung mit Carry-Strategien in Währungen oder innerhalb der Aktienvolatilität könnte hilfreich sein, um Bedenken über die Kosten dieser direkten Hedges abzumildern. Im Kontext der Carry-Renditen für die Aktienindex-Volatilität besteht eine strukturelle Lücke zwischen der implizierten und der realisierten Volatilität, von der solche Strategien profitieren können, aber eine sorgfältige Portfoliokonstruktion ist entscheidend für Zeiten, in denen sich dieser Spread umkehrt.
Quelle: Bloomberg, Goldman Sachs Asset Management. Daten vom 1. Januar 2020 bis 29. Mai 2024.
Blick in die Zukunft
In einem sich kontinuierlich wandelnden makroökonomischen Umfeld mit erhöhten geopolitischen Risiken halten wir es für wichtig, dass Anleger die verfügbaren Hedging-Mechanismen berücksichtigen, um ihre Portfolios auf unerwartete Ereignisse vorzubereiten. Verschiedene Techniken haben jeweils eigene Vorteile und Einschränkungen, die von Marktzyklen und dem Risikoumfeld abhängig sind. Obwohl keine Strategie allein alle Risiken durch Marktschocks beseitigen kann, spielen sie alle eine bedeutende Rolle bei der Steigerung der Portfolioresilienz und bei der Risikominderung. Unserer Meinung nach beruht die Wirksamkeit eines Ansatzes nicht nur auf einem umfassenden Verständnis ihrer Funktionsweise, sondern insbesondere auf ihrer wohlüberlegten und angemessenen Strukturierung im Kontext spezifischer Portfoliokonstruktionsziele und der vorherrschenden Marktbedingungen.
1SocGen Prime Services, Bloomberg. Die bisherige Wertentwicklung bietet keine Garantie im Hinblick auf zukünftige Ergebnisse, die Schwankungen unterworfen sein können.