Asset Management Outlook 2025: Ein neues Gleichgewicht
Dieser Artikel gehört zu unserer Reihe Outlook 2025: Gründe für eine Neuausrichtung.
Ein Balanceakt
Nach einigen Jahren hoher Inflation und Zinsen haben sich die makroökonomischen Ungleichgewichte verringert. Die Inflation ist gesunken, ohne dass es zu einer globalen Rezession kam. Die Lockerungszyklen der Zentralbanken haben begonnen. Die meisten Industrie- und Schwellenländern senken 2025 voraussichtlich ihre Leitzinsen, wenngleich zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Ganz so niedrig wie im letzten Zyklus wird sich das Zinsniveau aber nicht mehr einpendeln.
Wir bleiben vorsichtig optimistisch, dass die großen Volkswirtschaften mit einer schrittweisen Lockerung der geldpolitischen Zügel ein neues Gleichgewicht mit nachhaltigem Wachstum erreichen können. Tail-Risiken mögen dieses Gleichgewicht jedoch stören. Die Märkte stellen sich auf die potenziellen Auswirkungen der bisher noch unklaren legislativen Agenda von Donald Trump auf Politik und Portfolien ein. Eine lockerere Fiskalpolitik und wachstumsfördernde Maßnahmen wie niedrigere Körperschaftsteuern und weniger Regulierung sind denkbar. Möglich ist jedoch auch Handelsprotektionismus, der das Wachstum bremsen und vorübergehend zu höherer Inflation führen kann. Schwankungen der Konjunkturdaten können wachstumsbedingte pessimistische Phasen wie die Volatilität im August auslösen. Zusätzlich zu den vor allem hohen humanitären Kosten der Konflikte in Osteuropa und dem Nahen Osten kann eine weitere Eskalation auch die Handelsrouten und Rohstoffpreise beeinträchtigen.
Wir sehen im aktuellen Umfeld Gründe für Anleger, ihre Portfolien neu auszurichten. Mit breiten, diversifizierten und globalen Tools können an den Public und Private Markets positive Ergebnisse erzielt und Risiken in den kommenden Quartalen gesteuert werden. Vieles spricht für Anleihen, eine Ausweitung des Anlagehorizonts bei Aktien, die Erwägung von Alternatives und das Identifizieren von Chancen durch Disruption. Bevor wir näher darauf eingehen, erläutern wir zunächst, was den Volkswirtschaften bevorstehen kann.
Unser Basisszenario sieht immer noch eine weiche Landung der US-Wirtschaft vor
Die US-Wirtschaft bleibt bis ins neue Jahr resilient. Die Inflation nähert sich dem 2%-Ziel der US-Notenbank (Fed) und die Arbeitsmarktlage hat sich entspannt. Vor dem Hintergrund spätzyklischer Chancen und anhaltender Risiken gehen wir in unserem Basisszenario eher von einer weichen Landung aus. Mit einem Zinsschnitt um 50 Bp. im September vollzog die Fed ihre Zinswende. Nach einer weiteren Leitzinssenkung um 25 Bp. im November liegt der Leitzins nun bei 4,5 bis 4,75 %.1 Wir rechnen im Jahresverlauf mit weiteren Reduzierungen, sofern die Inflation sich weiter abkühlt. Möglicherweise kann der Lockerungszyklus bis Ende 2025 abgeschlossen sein.
Eine zweite Trump-Präsidentschaft birgt das Risiko höherer Inflation aufgrund von Zöllen. Dadurch erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Fed pausieren und die geldpolitischen Zügel langsamer lockern muss. Wir halten es jedoch für unwahrscheinlich, dass die Leitzinsen wieder angehoben werden, solange die Inflationserwartungen stabil bleiben. Nach den Wahlen liegt der Fokus offensichtlich auf der politischen Agenda. In den kommenden Monaten werden der Arbeitsmarkt und die Konsumlaune jedoch vermutlich die entscheidenden Faktoren für die Wirtschaft, die Geldpolitik der Fed und die Marktentwicklung sein. Wie die Zentralbanken richten auch wir uns nach den Daten und werden aufmerksam beobachten, welche unterschiedlichen Szenarien sich abzeichnen. Eine harte Landung oder Rezession sieht unser Basisszenario nicht vor, aber dieses Risiko würde bei schweren Störungen des Welthandels zunehmen. Steigende US-Defizite und die Tragbarkeit höherer staatlicher Zinskosten werden voraussichtlich stärker in den Fokus rücken.

Quelle: Goldman Sachs Asset Management. US-Notenbank, Europäische Zentralbank, Bank of England, Bank of Japan. Stand: 1. November 2024.
Weitere Leitzinssenkungen in den Industrieländern wahrscheinlich
In der Eurozone führten ein Verlust an wirtschaftlicher Dynamik und ein stärkerer Rückgang des Inflationsdrucks dazu, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im November nach ihren Zinsbeschlüssen vom Juni und September zum dritten Mal in diesem Zyklus die geldpolitischen Zügel lockerte.2 Die Verhängung weitreichender US-Zölle kann das Wirtschaftswachstum in Europa belasten. Dann wären bei unerwartet schlechten Konjunkturdaten schnellere und tiefere Leitzinssenkungen der EZB nötig. Die Wiederwahl von Donald Trump kann auch den Druck auf Europa erhöhen, mehr für Verteidigung und Sicherheit auszugeben. Das wäre eine zusätzliche fiskalische Herausforderung. In Großbritannien ist die Inflation weiter gesunken und fiel im September unter die Erwartungen.3 Nach ihrer ersten Leitzinssenkung im August beschloss die Bank of England (BoE) im November ihren zweiten Zinsschnitt dieses Zyklus und senkte den Leitzins von 5,00 % auf 4,75 %. Sollten die Wachstumsimpulse durch den britischen Staatshaushalt geringer als erwartet ausfallen und der inländische Inflationsdruck sich weiter normalisieren, kann sich das Tempo der Leitzinssenkungen 2025 beschleunigen. Andere Zentralbanken wie die Bank of Canada und die schwedische Riksbank schlagen ebenfalls einen Lockerungskurs ein. Japan hingegen tanzt wirtschaftlich aus der Reihe. Starke Lohn-Preis-Dynamiken deuten darauf hin, dass die Bank of Japan (BoJ) ihre Geldpolitik weiter normalisieren wird. Wir rechnen 2025 mit langsamen Leitzinserhöhungen, sobald die wahlbedingte Unsicherheit abklingt.

Quelle: Macrobond, Goldman Sachs Asset Management. Veränderungen seit Jahresbeginn mit Stand vom 13. November 2024. Stand der Prognosen: 9. November 2024.
China führte Ende des dritten Quartals 2024 Maßnahmen ein, um den Immobiliensektor zu stabilisieren und die Binnennachfrage anzukurbeln. Die zunächst schnelle und starke Finanzmarktreaktion ließ im vierten Quartal 2024 jedoch schon wieder nach.4 Angesichts anhaltender zyklischer und struktureller Herausforderungen gelten diese entschlossenen Konjunkturmaßnahmen in erster Linie dem Erreichen von Wachstumszielen. Wie viel Unterstützung in den kommenden Monaten noch angekündigt wird und wie effektiv diese Maßnahmen umgesetzt werden, bleibt abzuwarten. Die Lockerungsmaßnahmen, die im November am Ende des Treffens des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses verkündet wurden, blieben hinter den hohen Erwartungen zurück.5 Die Zentralregierung hat jedoch 2025 erheblichen Spielraum für Schuldenfinanzierungen und Defiziterhöhungen. Donald Trumps Wiederwahl und das Risiko höherer Zölle können China zusätzlich unter Druck setzen, das Wachstum zu unterstützen. Gleichzeitig zwingt ein schwierigeres Exportumfeld das Land eventuell, den Binnenkonsum als Wachstumsmotor der chinesischen Wirtschaft anzukurbeln. Wir werden die makroökonomische Lage in China bis zu den „Zwei Sitzungen“ des Nationalen Volkskongresses im März 2025 genau beobachten.
Schwellenländer setzten Lockerungskurs fort
Die lockerere Haltung der Fed eröffnete Schwellenländern in der zweiten Jahreshälfte 2024 die Möglichkeit, die Leitzinsen zu senken. In Asien lockerten Länder wie Südkorea und Thailand, die sensibler auf die Geldpolitik der Fed reagieren, im vierten Quartal 2024 die Zinsschraube.6 Auch in Südafrika und Mexiko wurden in den letzten Monaten die Leitzinsen gesenkt. Diese Zyklen werden sich 2025 in den Schwellenländern voraussichtlich fortsetzen. Insgesamt blieb ihr Wachstum relativ robust, und die Inflation liegt deutlich unter den Hochs von 2022. Ein stärkerer US-Dollar nach dem Wahlsieg der Republikaner im Rennen um das Präsidentschaftsamt und beide Kammern des US-Kongresses kann jedoch dazu führen, dass asiatische Schwellenländer ihre Leitzinsen vorsichtiger senken, um ihre Währungen möglichst stabil zum US-Dollar zu halten. In Schwellenländern mit nach wie vor hoher Inflation und abweichender Geldpolitik, wie etwa Brasilien, bleibt die Fiskalpolitik schwierig. Dennoch haben die Schwellenländer insgesamt in den letzten Jahren, einschließlich der Pandemiezeit, eine weniger expansive Fiskalpolitik verfolgt als die Industrieländer. Gleichzeitig treiben ihre Zentralbanken die Nachfrage nach Gold als Absicherung gegen geopolitische und finanzielle Schocks weiter nach oben.7
Wichtige Wegweiser
1. Konsumverhalten und Arbeitsmarktlage
Die Verbraucher profitieren derzeit von den angespannten Arbeitsmärkten, soliden privaten Finanzen und wachsendem Vertrauen. Die zurückgehende Inflation und die hohe Beschäftigung stützen auch das Wachstum der Realeinkommen. Dennoch gibt es regionale Unterschiede. In Japan, den USA und der Eurozone sind die Schuldendienstquoten niedrig. In Australien, Kanada und Großbritannien hingegen sind sie gestiegen, weil dort der Anteil der Hypothekendarlehen mit kürzerer Zinsfestschreibung höher ist. Generell ist noch Konsumbereitschaft da, aber die Verbraucher geben ihr Geld wählerischer aus.
2. Trumps erste 100 Tage
Während Anleger die Auswirkungen der politischen Veränderungen nach den US-Wahlen auf ihre Portfolien analysieren, werden die ersten 100 Tage der Trump-Regierung entscheidende Hinweise auf die legislativen Prioritäten erkennen lassen. Die Verhängung von Zöllen kann sich in vielerlei Hinsicht direkt und indirekt auf das Wachstum und die Inflation auswirken. Gezielte Zölle gegen China werden die Inflation vielleicht nur begrenzt steigen lassen. Flächendeckende Universalzölle, die auch für Europa gelten, verstärken diese Effekte jedoch möglicherweise und belasten das Wachstum. Trumps Wiederwahl kann auch dazu führen, dass Europa mehr für Verteidigung und Sicherheit ausgibt. Das wäre eine zusätzliche fiskalische Herausforderung. Die internationale Reaktion auf höhere Zölle und mögliche Vergeltungsmaßnahmen bleiben schwer vorhersehbar.
3. Die Richtung des US-Dollars
Der US-Dollar wertet in der Regel auf, wenn die US-Wirtschaft stark ist und schneller wächst als andere Volkswirtschaften. Unser aktueller Indikator der gesamtwirtschaftlichen Aktivität deutet immer noch auf ein überdurchschnittliches Wachstum in den USA hin. Das Wachstum anderer großer Volkswirtschaften hingegen liegt nahe oder unter ihrem Trend. Sollten Zölle in der neuen Trump-Regierung eine zentrale Rolle spielen und weitere Steuersenkungen, höhere Staatsausgaben und weniger Regulierung hinzukommen, dürfte die Dollarstärke anhalten. Da der Dollar in Zeiten höherer globaler Risiken normalerweise aufwertet, kann erhöhte Unsicherheit über die Handelspolitik in einer zweiten Trump-Amtszeit den Dollar stützen.
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1 US-Notenbank. Stand: 7. November 2024.
2 Europäische Zentralbank, Bloomberg. Stand: 17. Oktober 2024.
3 Bank of England, Bloomberg. Stand: 16. Oktober 2024.
4 Bloomberg, Goldman Sachs Asset Management. Stand: 7. Oktober 2024.
5 Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 8. November 2024.
6 Reuters. Stand: 28. Oktober 2024.
7 Goldman Sachs Global Investment Research. Stand: 30. September 2024.

